piwik no script img

Konkurrenz steigert Leistung

Hallenmeister Danny Ecker ist der neue Mann und der Stabhochsprung die explosive Disziplin der deutschen Leichtathletik. Gerangel gibt es um die WM-Teilnahme  ■ Aus Karlsruhe Peter Unfried

Alles saß ein bißchen traurig herum, nur Danny Ecker nicht. Der griff sich zwei Bier, sagte beiläufig „ich nehm' die noch mit“ und ging vergnügt seiner Wege. Er hatte allen Grund: Stabhochspringer Ecker darf sich als der Gewinner der deutschen Meisterschaften in Karlsruhe fühlen. Mit 5,90 m verbesserte er seinen eben erst aufgestellten Hallenrekord um vier Zentimeter und holte damit seinen ersten nationalen Titel.

Ecker (21), Sohn der Olympiasiegerin und DLV-Vizepräsidentin Heide Ecker-Rosendahl, trainiert bei Coach Leszek Klima in Leverkusen und hatte im Vorjahr den Sprung in die erweiterte Weltklasse geschafft. In Karlsruhe hatte er zunächst mit erheblichen technischen Problemen zu kämpfen. Er sei in der Luft gehangen, sagte er, „wie ein Schauspieler, der den Text vergessen hat“. In seinem Fall also: die eigentlich automatisierte Durchführung des komplexen Ablaufs eines Sprungs. Ecker griff zu einem härteren Stab. 5,80 „ging dann schon“, nach einer weiteren Härtesteigerung hatte er beim Rekordsprung von 5,90 m auch „das beste Gefühl“. Es war der erste Versuch und ein ziemlich guter Sprung, bei dem nichts wackelte. Erst danach: die Europahalle.

Jetzt ist Ecker zunächst mal die Nummer eins im nationalen Stabhochsprung. Eins und zwei dürfen zur Hallen-WM nach Maebashi (5. bis 7. März). Wer die Nummer zwei ist, ist allerdings Interpretationssache. „On paper bin ich die Nummer zwei“, sagt Tim Lobinger. Der 25jährige war zwar nur Dritter geworden (5.80 m), bezog sich aber auf ein teaminternes „Index-System“ zur Ermittlung der WM-Fahrer, nach dem die jeweils drei besten Höhen der internationalen Hallensaison durch drei geteilt werden sollten und mit den 5,80 m von Karlsruhe addiert. Da ist er knapp besser als der Meisterschaftszweite Andrej Tiwontschik (5.85 m). Freilich nur, wenn dessen 5.70 m von den Landesmeisterschaften in Rheinland-Pfalz nicht in die Wertung einfließen.

Tiwontschik (ASV Mainz), ein ehemaliger Weißrusse, war vor fünf Jahren der erste DLV-Stabhochspringer seit langem, der Weltformat erreichte. Nach einigen Problemen ist er jetzt wieder richtig da, seine 5,85 m sind persönliche Bestleistung, und er ist deshalb nach seiner arithmetischen Interpretation ziemlich sicher, „daß ich dabei bin“. Das Ganze ist ein bißchen unglücklich gelaufen, weil der Teamleiter Stabhochsprung, Herbert Czingon, noch in der Halle Tiwontschik nominierte. Lobinger sagt: „Das akzeptiere ich nicht.“ Rüdiger Nickel tut das auch nicht. Der leitet schließlich den sogenannten Bundesausschuß für Leistung und hat in Nominierungsfragen das letzte Wort. Am heutigen Montag wird er das Team für Maebashi bekannt geben. Entscheidend sei, sagt Nickel: „Wintersaison mit dem Schwerpunkt Meisterschaft“. Das sei natürlich „interpretationsfähig“.

An dem Fall sieht man eine Problematik der Leichtathletik. Es sei dies doch, sagt Rüdiger Nickel, „eine bessere Situation, als wenn man jemand suchen muß, um das Flugzeug vollzukriegen“. Für den Verband schon. Suchen mußte er zwar auch anderswo kaum, aber wenige Disziplinen konnten in Karlsruhe mit dem Niveau des Stabhochsprungs mithalten. Dort hat zweifelsfrei „die Konkurrenz die Leistung gesteigert“ (Andrej Tiwontschik). Manche arbeiten schon daran, das wachsende Interesse für die nationalen Weltklasseathleten auszunutzen und in Deutschland eine Wettkampfserie zu etablieren. Eigentlich ist die Leichtathletik ein internationales Geschäft. Bis auf wenige Ausnahmen funktionieren Leichtathleten aber nur für einen nationalen Markt – wenn sie Teil des internationalen Geschäfts sind.

Und nun hat man eben vier freie deutsche Unternehmer, von denen zwei bei der WM nicht Medaille gewinnen, Geld verdienen und Marktwert steigern können. Lobinger hat sich am stärksten vom DLV abgenabelt und dafür sein Verständnis vom freien Unternehmertum vorangetrieben. Falls der DLV sich gegen ihn entscheidet, sagte er so laut, daß es jeder hören kann, „müßte ich eigentlich eine einstweilige Verfügung erwirken“. Keine Angst, will er nicht, es würde „der Leichtathletik schaden“. Nur sagen, will er es. Der extrovertierte Lobinger ist als mehrjähriger Platzhirsch immerhin ein Name, den man auch jenseits der Branche kennt.

Aber nehmen wir Michael Stolle. Der Hallenmeister der beiden letzten Jahre hatte den besten Quotienten (5.81 m), war wie Bayer-Kollege Ecker in Dortmund Rekord gesprungen (5.86 m) und stand nach seinen 5.70 m und Platz vier ganz blöd da. Wie er auch rechnete, für ihn reichte es nimmermehr. Was ihm blieb war eine tröstende Hand von Heide Ecker- Rosendahl. „Jetzt bist du traurig“, sagte die fröhliche Mutter. Und Stolle stille: „Geht so.“ Er sah sehr traurig aus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen