Kommentar: Kollisionskurs bis zum Kurzschluß
■ Der Kanzler brüskiert die Natur- und Umweltschützer
Daß Bundeskanzler Schröder seinen Auftritt zum 100jährigen Jubiläum des Naturschutzbundes Nabu ebenso kurzfristig wie schroff absagte, ist ein unmißverständliches Signal. Denn damit brüskiert er den größten und ältesten Naturschutzverband Deutschlands zugunsten der eigenen, einst roten Klientel – der Arbeiterschaft der Meyer-Werft in Papenburg, die jüngst für den Bau des umstrittenen Ems-Sperrwerks demonstrierte.
Der Einsatz für Arbeitsplätze kommt immer gut – vordergründig zumindest. Doch Schröder setzt wieder einmal nur ein Zeichen für die Industrie und deren Großprojekte. So wird das Ems-Sperrwerk zum weiteren Sperriegel zwischen ihm und seinem Koalitionspartner. Daß der Kanzler ein Umweltschützer sei, hatte schon vor der Wahl niemand angenommen. Ebenso absurd wäre es, beim Anblick des flachen Nordens den tropischen Regenwald zu assoziieren. Wenn die Ozeanriesen ins Wattenmeer gleiten, dann sieht das nur so ähnlich aus wie „Fitzcarraldo“. Der ließ sein Traumschiff in Werner Herzogs gleichnamigem Film zu Fuß durch den Urwald schleppen, getrieben von omnipotentem Größenwahn. Des Kanzlers Parteinahme für die Luxusliner-Schiffahrt ist dagegen kühles Kalkül, das wieder einmal den Koalitions-Konsens bricht.
Diesmal hat Schröder aber nicht nur die Grünen, sondern auch jene Wähler, die mit ihrem Kreuz auf einen umweltverträglichen Umbau der Industriegesellschaft gesetzt hatten, im Dschungelkampf der Koalitionäre in den Regen gestellt. Sie sind wieder jene Schmuddelkinder aus den Feuchtbiotopen, die mit ihrem Piepmatz- Gehege gesamtgesellschaftlich nur stören – Nabu-Sponsoren wie Tengelmann und Otto-Versand inbegriffen.
Daß Schröder mit seiner Absage auch Kritik- und Dialogfähigkeit vermissen ließ, ist nur ein Randeffekt. Kanzler-Ökonomie ist beinharte, staatssubventionierte Standortpolitik. Wetten, daß ...? In der gleichnamigen Fernsehschau war er am Samstag abend allerdings auf dem falschen Dampfer und mußte lernen, daß ein paar leere Flaschen aneinander haften bleiben können. Das liegt an der statischen Elektrizität: Die Flaschen ziehen sich an, eben weil sie unterschiedlich polarisiert sind. Daß sich Gegensätze abstoßen, ist dagegen hausgemachte Bonner Elektrizitätslehre. In der Politik führt das zu Kurzschluß und Scherbenhaufen. Heide Platen Bericht Seite 6
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