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Mehr Tiefgang fürs Sozialprodukt

Saugschiff baggert seit gestern die Elbe für Container-Riesen frei  ■ Von Gernot Knödler

Die Enten im Mühlenberger Loch blieben unangemessen ruhig, als Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD) gestern nur 500 Meter entfernt die Elbvertiefung einläutete. Auf das Signal des Senators hin senkte die niederländische „Geopotes 14“ ein rostiges Saugrohr in den Strom und begann, dessen Boden abzusaugen. Zig Male wird der rostige Pott mit einem Aufbau wie eine Ölraffinerie zwischen Mühlenberger Loch und dem Containerterminal Waltershof hin- und herfahren und dabei Streifen für Streifen die Untiefen der Elbe beseitigen – zumindest das, was für die größten der heutigen Containerschiffe Untiefen sind.

Die Elbe soll auf insgesamt 126 Kilometern Länge ausgebaut werden. Nur ein kleiner Teil davon liegt auf Hamburger Gebiet. Das ganze Vorhaben wird mit 200 Millionen Mark veranschlagt. Erst vorige Woche wurde bekannt, daß Hamburg 30 statt 20 Millionen davon bezahlen muß. Das Ausbaggern ist wegen seiner möglichen ökologischen Auswirkungen und der hohen Kosten umstritten.

Im November vergangenen Jahres hatte die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet, weil mit dem Baggern begonnen worden war, ohne die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung abzuwarten. Naturschutzverbände hatten das Gutachten bemängelt, das die Verträglichkeit des Ausbaggerns mit der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU behauptete: In der Expertise fehle eine ökologische Gesamtbewertung der Elbvertiefung und ihrer Auswirkungen auf benachbarte Schutzgebiete. Insbesondere sei nicht untersucht worden, was mit der Unterelbe passiert, wenn auch noch ein Teil des Mühlenberger Lochs zugeschüttet wird – die Enten, die in Sichtweite des Senators im Watt saßen, hätten durchaus Grund gehabt, sich zu echauffieren.

Senator Mirow focht das alles nicht an: Ein enormer Rationalisierungsdruck habe zu Schiffen mit immer größeren Tiefgängen geführt, denen sich die Häfen jetzt anpassen müßten, sagte er gestern. „Wer dazu nicht bereit oder in der Lage ist, scheidet aus dem Wettbewerb der Welthäfen aus“, behauptete der Senator. Auch dürfe die Tatsache, daß Hamburg bisher auch ohne Fahrrinnenvertiefung von den Schiffahrtslinien bedient worden sei, nicht zu Fehlschlüssen verleiten, warnte Mirow.

Der Förderkreis Rettet die Elbe hingegen hatte im vergangenen Herbst darauf hingewiesen, daß sechs von sieben Schiffen der kritischen Größe 1997 ihren möglichen Tiefgang gar nicht ausnutzten. Denn bei Flut können sie auch schon heute vollbeladen die Elbe befahren.

Der Nabu und der Förderkreis Rettet die Elbe kritisierten gestern außerdem, daß von den 1300 Hektar, auf denen die ökologischen Schäden durch die Elbvertiefung ausgeglichen werden sollen, nur 40 Prozent im Besitz der öffentlichen Hand seien. Doch der Bund hat vorgesorgt: Falls es nicht möglich wäre, die nötigen Grundstücke zu kaufen, sagte Ulrich Hensen, der Chef des Amtes für Strom und Hafenbau der taz, könne „auf Ersatz-Ausgleichsflächen“ zurückgegriffen werden.

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