: Ideologische Fronten im Schulstreit weichen auf
■ SPD-Spitze plädiert für die Einführung spezieller fünfter Klasssen am Gymnasium
Auf dem ideologisch verminten Terrain der Berliner Schulpolitik wollen die Berliner Sozialdemokraten rechtzeitig vor der Landtagswahl die Fronten begradigen – und machen die Lage damit noch unübersichtlicher als bisher.
In einem neuen Vorstoß der SPD-Spitze hält die SPD zwar auch künftig formal daran fest, daß alle Kinder sechs Jahre lang gemeinsam die Grundschulbank drücken, also zwei Jahre länger als in den übrigen Bundesländern. Allerdings will die Partei mehr Gymnasien als bisher erlauben, um eines besonderen „pädagogischen Profils“ willen auch fünfte und sechste Klassen anzubieten. Damit öffnet sie den vom Koalitionspartner CDU geforderten Fluchtweg aus der sozialdemokratisch-egalitären Grundschule weiter.
Das geforderte „Profil“ kann entweder im Lateinunterricht ab der fünften Klasse oder in einem zwölfklassigen Schnelldurchlauf zum Abitur bestehen. Vor allem mit diesem „Expreß-Abi“ schluckt die SPD eine gewaltige Kröte – und schafft, nur um des Prinzips willen, eine groteske Situation: Jene zuziehenden Bonner Beamten, mit denen die CDU im hauptstädtischen Schulkampf argumentiert, werden ihre Kinder entweder in den Lateinunterricht oder an die Eliteschulen schicken müssen.
Für eine Übergangszeit wolle die SPD auch „Orientierungsklassen“ für die Bonner dulden, sagte gestern das Landesvorstandsmitglied Monika Buttgereit. Langfristig aber müßten sich auch die Bundesbediensteten „daran gewöhnen, daß wir hier eine sechsklassige Grundschule haben“. So beruhten die Befürchtungen größtenteils auf „mangelnder Information darüber, was unsere Schule alles bietet“. Vom Fremdsprachenangebot etwa „konnten die Bonner nur träumen“.
Ob der SPD mit diesem Kompromiß der schulpolitische Befreiungsschlag gelingt, ist zweifelhaft: Auf der einen Seite eine Schulsenatorin aus den eigenen Reihen, die das Amt nur um des Amtes willen mit demonstrativem Desinteresse übernahm, auf der anderen Seite der Koalitionspartner CDU mit dem vermeintlichen Elternwillen im Rücken. Die Partei ist nicht zu beneiden – zumal zuletzt sogar der grüne Außenminister Joschka Fischer, den Kindern seiner Diplomaten zuliebe, die Reihen der Grundschulgegner stärkte. Der Vorschlag stand gestern abend im SPD-Landesvorstand zur Beschlußfassung. Ralph Bollmann
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