piwik no script img

Kurze Hoffnung für LaGrand

Ein US-Bundesgericht hat die Hinrichtung des deutschstämmigen Karl LaGrand in der Gaskammer ausgesetzt – ob ihn das rettet, war noch offen  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Ein Bundesgericht hat nur Stunden vor der Hinrichtung die für gestern angesetzte Vollstreckung des Todesurteils von Karl LaGrand ausgesetzt. Karl LaGrand, der beschuldigt wird, zusammen mit seinem Bruder Walter vor 17 Jahren eine Bank überfallen und dabei den Bankdirektor erstochen zu haben, schien zunächst seine Rechtsmittel ausgeschöpft zu haben. Doch das Bundesgericht erklärte die Hinrichtung in der Gaskammer für verfassungswidrig – eine Hinrichtungsart, für die sich die Gebrüder LaGrand selbst entschieden hatten. In den meisten Bundesstaaten ist die Gakammer durch die Giftspritze ersetzt. Die Gaskammer aber widerspricht nach Auffassung des Gerichts in San Francisco dem 8. Verfassungszusatz, der „ungewöhnliche und grausame Strafen“ verbietet. Die Gebrüder hatten ihre Todesart in der Hoffnung auf diesen Richterspruch gewählt.

Die Entscheidung des Bundesberufungsgerichtes in San Francisco erging kurz nach Mitternacht. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein, womit der Fall vor dem Obersten Bundesgericht in Washington entschieden werden muß. Mit der Entscheidung wurde noch für Mittwoch gerechnet, sie lag aber bei Redaktionsschluß nicht vor. Die Aussichten waren allerdings alles andere als günstig. Das Bundesgericht in San Francisco hat einen liberalen Ruf, das Oberste Gericht in Washington hingegen hat in den letzten 20 Jahren so gut wie alle Anfechtungen der Todesstrafe abgewiesen – auch solche, die auf dem 8. Verfassungszusatz beruhten. Bei Redaktionsschluß lag die Entscheidung bei der Richterin Sandra Day O'Connor. Sie konnte den Fall selbst entscheiden oder – was ungewöhnlich wäre – der Kammer vorlegen.

Am Dienstag hatte in Phoenix, Arizona, der Gnadenausschuß verhandelt. Die öffentliche Sitzung war ungewöhnlich gut besucht. Anwesend waren Pressevertreter aus Deutschland, der deutsche Botschafter in Washington, Jürgen Chrobog, Claudia Roth als Vertreterin des Menschenrechtsausschusses des Bundestages sowie eine Vertreterin von amnesty international. Der Staatsanwalt Ken Peasely konfrontierte das Kollegium, das darüber zu entscheiden hatte, ob es der Gouverneurin von Arizona eine Begnadigung empfehlen sollte, mit Bildern der Ermordeten. Der damals 63jährige Bankdirektor Ken Hartsock war an 24 Stichen mit einem Brieföffner verblutet, seine Mitarbeiterin überlebte. „In der Bank waren an diesem Tag zwei Helden und zwei Tiere“, erklärte Staatsanwalt Ken Peasely.

Die Einwände der deutschen Delegation, daß die nach der Wiener Konvention erforderliche Benachrichtigung des deutschen Konsulats nicht erfolgt sei, wischte er vom Tisch: „Dies ist ein auf amerikanischem Boden begangenes Verbrechen, hier gilt amerikanisches Recht.“

Jahrelang hätten die Deutschen nichts für die beiden getan, jetzt aber, in letzter Stunde, würden sie sich zu Wort melden. Der Gnadenausschuß lehnte eine Begnadigung mit 3 zu 1 Stimmen ab.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen