piwik no script img

Vorsicht: Durham!

■ In der Gesellschaft für aktuelle Kunst wirft Jimmie Durham mit Steinen um sich

Wer von Jimmie Durham zum Essen nach Hause eingeladen wird, wäre nicht schlecht beraten, die Türschwelle nur mit stahlkappenbesetzten Schuhen zu überschreiten. Sollte man seinen Hunger bereits vorab in der Imbißstube am Eck gestillt haben, der Verlauf des Essens lieferte sicherlich keinen Anlaß, diese Entscheidung zu bereuen. Und niemand, der Jimmie Durhams wunderliche Ausstellung „Zwischen Mobiliar und Haus“ in der Gesellschaft für aktuelle Kunst (GAK) eingehend betrachtet, würde das Tragen eines Schutzhelms in Anwesenheit des 59jährigen Künstlers als übertriebene Vorsichtsmaßnahme ansehen. Denn wie die herumliegenden Porzellan- und Glasscherben nicht zu Unrecht vermuten lassen, neigt Durham dazu, mit festen Gegenständen durch die Gegend zu werfen.

Vor allem Steine aller Art haben es ihm angetan. In einer Vitrine ist ein handballgroßer Klumpen zu bestaunen, der als „Stein von Metternichs Haus in Böhmen“ vorgestellt wird. Allein, vor Ehrfurcht will man angesichts dieses Relikts nicht erstarren – wohl auch deshalb, weil Durham die historische Bausubstanz wenig würdevoll mitten durch das Vitrinenglas gepfeffert hat. Am Eingang der GAK, unweit eines Waschbeckens, das eine heruntergefallene griechische Büste zerstört hat, besteht die Möglichkeit, sich die Dokumentation „Die Gefahren der Petrifizierung“ zu Gemüte zu führen – so man nicht zuvor über den Stolperstein gefallen ist, der das Betreten der Galerie erschwert. Auch in diesem Schaukasten liegen Steine von unterschiedlicher Farbe und Größe. Das glaubt man zumindest, solange man Durhams Erläuterungen nicht gelesen hat. „Pumpernickel oder vielleicht Panetoni“ steht neben einem Quader, „Pecorino oder Gorgonzola“ neben einem sandfarbenem keilförmigen Stein. Ein Stück versteinerter Leberwurst, Pistazien-Vanille-Eis von gleicher Konsistenz, drei Kartoffeln und eine nicht minder ungenießbare Madeleine komplettieren das Nahrungsangebot.

„Mit Spott und dummen Witzen“, sagt Durham über diese Objekte, „will ich versuchen, Stein leicht zu machen“. Das funktioniert zweifellos. Doch erschöpfen sich seine Arbeiten nicht in diesem spielerischen Umgang mit dem Material. Durhams banale Ausstellungsstücke veralbern zugleich die Zunft der Archäologen und Ethnologen, ihre zuweilen lächerliche Suche nach Authentizität, die ein verschwitztes Kleidungsstück zu einer kulturgeschichtlich bedeutenden Reliquie des Abendlandes erhebt und vor jedem tiefgefrorenen Fäkalhaufen eines Mammuts andächtig zu Boden sinkt.

Durhams Ironisierung des Musealen und der eigentümlichen Weisen, mit der die westliche Zivilisation versucht, Geschichte zu konservieren, findet sich bereits in seinen früheren Arbeiten, die auch auf der documenta IX zu sehen waren. Darin hatte sich der in einem Reservat aufgewachsene Cherokee und Aktivist der indianischen Bürgerrechtsbewegung vor allem gegen die Verkitschung indianischer Kulturen und Mythen durch jene weiße Herrschaftskultur gewandt, wie sie in US-amerikanischen Museen, Filmen oder Bilderbüchern zu finden ist.

Durhams Installationen in der GAK reflektieren dagegen stärker seine Erfahrungen mit Europa, wo der selbsternannte „heimatlose Geselle“ seit nunmehr vier Jahren lebt. Über dicke Mauern, schreibt er im Ausstellungskatalog, blickt er hierzulande oft durch heimelige Fenster, wo Menschen im dämmerigen Licht sitzen und zusammen ihr Abendessen vorbereiten. Und inständig hofft Durham, niemals eingeladen zu werden, Teil dieser verlockenden versteinerten My-home-is-my-castle-Gemütlichkeit zu werden. Ob in der Installation aus Scherben und dicken Stahlseilen, die einen langweiligen Holzklotz mit Marmorbeschichtung vor Zudringlichkeiten schützen, oder angesichts der Installation „St. Frigo“, einem Kühlschrank, den Durham durch Steinbewurf demoliert hat – Durham gibt sich alle Mühe, jeden Anflug von kuscheliger Gemütlichkeit in seiner für zwei Monate angemieteten GAK-Wohnung zu vermeiden. Mit Erfolg: Bei Jimmie Durham wäre man nicht gern zu Gast. Franco Zotta

„Zwischen Mobiliar und Haus“ wird heute in der GAK um 17 Uhr eröffnet und ist dort bis zum 25. April zu sehen. Öffnungszeiten: Täglich außer montags 11-18 Uhr. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen. Weitere Infos gibt es unter Tel.: 50 08 97Tel.: oder im Internet unter www.gak-bremen.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen