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Rot-grün nur bis zum Loch

■ Flügel, Nachwuchs, SPD: Der neue GAL-Vorstand Kordula Leites und Peter Schaar im taz-Interview über die Perspektiven der Hamburger Grünen

Die neue Vorstandssprecherin der GAL heißt Kordula Leites. Die 38jährige Linke setzte sich am Sonnabend auf der Mitgliederversammlung im ersten Wahlgang mit 116:96 Stimmen gegen die flügelunabhängige Sabine Grund durch. Nahezu einstimmig beschloß die GAL zudem zwei Sachanträge: Der Atomausstieg in Hamburg soll im nächsten Jahr beginnen, und das Mühlenberger Loch darf ausschließlich für den A3XX geopfert werden.

taz: Frau Leites, sind Sie die Erlösung der GAL vom Führungsdefizit?

Kordula Leites: Ich sehe nicht, daß es ein solches Defizit gegeben hätte. Aber es ist sicher gut, daß jetzt das SprecherInnen-Team wieder komplett ist, um grüne Politik nach innen und nach außen besser zu vermitteln.

Peter Schaar: Genau so ist es.

Klingt nach eitel Sonnenschein nach all dem Flügelschlagen.

Leites: Sicher gab es gerade wegen der Besetzung des Sprecherpostens Flügelschlagen. Aber klar war allen Strömungen, daß es notwendig ist, weiter gemeinsam zu arbeiten. Das wird der Fall sein.

Schaar: Ich sehe meine Auffassung bestätigt, daß die Möglichkeit zur Auswahl die Akzeptanz in der Partei fördert. Kordula ist dadurch gestärkt, daß sie sich gegen eine Gegenkandidatin durchsetzen mußte. Wir werden jetzt intern diskutieren und hoffentlich in den wichtigen Fragen zum Konsens kommen. Ich habe keine Zweifel, daß uns das gelingen wird.

taz: Fast in jeder Rede auf der MV wurde die Hege und Pflege des Nachwuchses beschworen. Die GAL müsse mehr mit der Jugend reden, nicht nur über sie. Eine Zukunftsaufgabe für die beiden Par-teisprecherInnen?

Schaar: Klar. Dazu dürfen wir jetzt aber nicht Oversized Jeans tragen und ...

Leites: Die sind doch schon wieder out.

Schaar: Neenee, mein 14jähriger Sohn trägt die. Wir müssen einen echten und ernsthaften Dialog führen mit denen, die wir erreichen wollen. Und davon gibt es sehr viele in der GAL und in der Grünen Jugend. Zum Beispiel war bei uns die Bildungspolitik bisher weitgehend Lehrerpolitik. Da müssen wir schauen, welche anderen Ansätze es gibt.

Leites: Die jungen Grünen müssen viel mehr Chancen haben, ihre Politik selbst zu formulieren und einzubringen. Die Bevormundung der Jugend, die uns zum Teil vorgeworfen wird, muß von einer Diskussion darüber abgelöst werden, was das gemeinsame Grüne ist. Das muß die sogenannte Lehrergeneration in der GAL natürlich auch begreifen.

Schaar: Die Jungen sind in vielen Punkten erheblich pragmatischer als die 40- und 50jährigen. Die betrachten zum Beispiel ökologische Themen als ganz selbstverständlich und machen mit einer riesigen Resonanz und großem Engagement solche Fifty-Fifty-Projekte an ihren Schulen mit Solaranlagen und anderem. Das ist kein Kleinkram, die machen praktische Energiepolitik, statt nur darüber zu reden.

Leites: Neue Antworten findet die heutige Jugend in anderen Fragen. Die wollen eine gute Bildung, die wollen sichere Arbeitsplätze, und die wollen wissen, wie sie denn unsere Renten finanzieren sollen. Da müssen wir Konzepte und Angebote für die gesellschaftliche Zukunft machen, daran mangelt es bislang.

taz: Die GAL hat nicht nur Probleme mit dem Nachwuchs, sondern auch mit dem Koalitionspartner. Wird mit der linken Sprecherin Kordula Leites das rot-grüne Klima in Hamburg rauher werden?

Leites: Nicht aus Prinzip. Aber natürlich ist es eine meiner wichtigsten Aufgaben, grüne Programmatik voranzutreiben und grünes Profil zu schärfen. Wenn es aber ohne Streit nicht geht, dann führen wir den auch. Zum Beispiel beim Mühlenberger Loch. Dessen Zuschüttung akzeptieren wir nur für den Riesenairbus A3XX und die damit versprochenen 4000 Arbeitsplätze. Das hat die Mitgliederversammlung eindeutig bestätigt. Was anderes, das muß die SPD wissen, kommt für die GAL nicht in Frage.

Schaar: Nur für den A3XX kann es einen Zugriff auf das Mühlenberger Loch geben. Klipp und klar und ohne Hintertür.

Interview: Sven-Michael Veit

Bericht Seite 4, Porträt Kordula Leites Seite 11

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