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Der homosexuelle Mann ...    ■ Von Elmar Kraushaar

... liebt es, sich lang hinzuschmeißen, in den Staub und um Vergebung winselnd: „Ich will so sein wie ihr!“ Wie das heuer für ein Millionenpublikum medial aufbereitet wird, demonstrierte in der vergangenen Woche das neue Schwulenmagazin „anders Trend auf RTL. Eine Horrorfahrt ins Tal der schwulen Normalität für die einen, für die anderen ein Grundkurs in Sachen Homoleben. Mit Coming out, Homo-Ehe und Gewalt gegen Schwule, Arbeitsalltag und Freizeitverein, ein paar Prominenten und ein paar Waschbrettbäuchen.

Die Botschaft war klar, Homosexuelle sind Menschen wie du und du, ein bißchen anders vielleicht, dennoch pflegeleicht, stubenrein und schutzbedürftig. Dafür wurde gelogen und manipuliert und allerbeste Propagandaarbeit geleistet. Erst sicher im Leiden, führte das Magazin überfallene, gequälte und ermordete Schwule vor, mit einer dekorativen Leiche im Park und viel Pathos obendrauf: „Er wurde erstochen, weil er schwul war. Seine Neigung war sein Tod.“ Dazu gab es keinerlei Informationen, aber wüste Zahlen ohne Beleg: „Jeder dritte Schwule muß im Laufe seines Lebens damit rechnen, überfallen zu werden“ , und: „Jährlich werden in Deutschland 200.000 Schwule Opfer von Gewalttaten.“ Tun wir mal so, als ob die Zahlen stimmen würden: Warum erhebt sich kein Protest dagegen, nicht unter den Schwulen und nicht unter dem Rest der aufgeklärten Öffentlichkeit?

Journalistisches Handwerk fehlte auch beim Thema Homo-Ehe, kein Kritiker kam zu Wort und auch kein Politiker, der ernsthaft die Chancen des neuen Regelwerks beurteilt. Dafür war die flotte TV-Sprache den verklemmten Hetero-Floskeln angepaßt: „Er hat sich immer offen zu seiner Sexualität bekannt“, wurde ausgerechnet Matthias Frings vorgestellt, einst ein führender Kopf der Schwulenbewegung.

Nur einmal, fast unbeobachtet, kam die Sendung in die Nähe der Wahrheit: Ein Masseur knetete seine Kundin Sylvia, und sie schwärmte von seiner Sensibilität und Zärtlichkeit. Da flötete er aus dem Hintergrund in diesem unnachahmlichen Zickensingsang, der auf so wunderbare Weise mit seinem virilen Körper kontrastierte: „Ich habe dir schon ein paar Mal gesagt, du sollst nicht so viele Kinder kriegen. Das ist schlecht fürs Becken!“ Jetzt wußten wir, es gibt sie noch, die schwule Welt, hinter all diesen falschen Fernsehbildern, die nichts weiter erzählen wollen als von der großen Sehnsucht nach Rechtschaffenheit, Anerkennung und Solidarität.

Die richtige Munition gegen diese Art der Kritik hatte der Moderator der Sendung, der Schauspieler Georg Uecker, schon vorab in Stellung gebracht. Auf Themenempfehlungen von schwuler Seite reagierte er im Journalistengespräch mit: „Wir machen keine Hofberichterstattung“, und sonstige Nörgler fertigte er – wieder via Zeitungsinterview – nach dem gleichen schwulenfeindlichen Muster ab, wie jeder Hetero es beherrscht: „Mir ist es völlig egal, was die näselnde Kreuzberger Großstadttunte dazu sagt.“ Natürlich kann die Kreuzberger Großstadttunte kein Maßstab sein für ein Homoleben, schon gar nicht für das in Köln, dem Produktionsort von „anders Trend“. Aber ohne ihr näselndes Widerwort passierte nichts hierzulande.

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