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PDS gönnt Rot-Grün eine Minderheitsregierung

■ Statt Tolerierung bietet die geschmähte Partei eine Kooperation auf Distanz an

Man könnte es den dritten Weg nennen. Nachdem sowohl die Berliner SPD als auch die Berliner Bündnisgrünen eine Koalition mit der PDS ebenso ausgeschlossen haben wie einen PDS-tolerierten rot-grünen Minderheitssenat, propagiert die PDS jetzt eine neue Variante der Kooperation.

Auf ihrem Parteitag am Wochenende beschloß der Hauptstadt-Verband der PDS eine Strategie für das Wahljahr 1999. Recht gönnerhaft heißt es im Parteitagsbeschluß: „Gewinnt bei den kommenden Wahlen eine Koalition aus SPD und Grünen im Abgeordnetenhaus eine relative Mehrheit gegenüber der CDU oder einer konservativen Koalition, so wird die PDS einer solchen Minderheitsregierung eine faire Chance einräumen, ihre politische Reform- und Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen.“

Soweit die Botschaft. Doch die demokratischen SozialistInnen fassen ihr neues Angebot durchaus auch konkreter: „An der PDS wird der Regierungswechsel nicht scheitern. Die PDS wird mit einer möglichen SPD-Bündnisgrünen- Koalition kooperieren, solange sie demokratische und soziale Reformen in Angriff nimmt, und gegen sie opponieren, sobald sie die bisherige Politik fortsetzt.“

Galt bisher die Tolerierung als eine versteckte Form der Koalition, so ist diese angebotene Kooperation eine versteckte Form der Tolerierung. Die wechselnde Haltung der PDS zur möglichen rot-grünen Koalition – und damit ein wechselndes Abstimmungsverhalten im Landesparlament – soll es SozialdemokratInnen und Bündnisgrünen offensichtlich ermöglichen, ihr Gesicht zu wahren. Gerade im alten, frontstadtgeprägten Westberlin, das weiß auch die PDS, bestehen erhebliche Widerstände gegen eine Beteiligung der PDS an der Regierungsverantwortung.

Über die aktuelle Debatte in der SPD um die „Dresdner Erklärung“ frohlockte gestern die Fraktionsspitze der Berliner PDS. „Die Ausgrenzungsbeschlüsse der Berliner SPD werden das gleiche Schicksal erleiden wie die Dresdner Erklärung“, betonten die Fraktionsvorsitzenden Harald Wolf und Carola Freundl. Die SPD in den neuen Bundesländern sei auf die Kooperation mit der PDS angewiesen, will sie sich nicht selbst zur Gefangenschaft in großen Koalitionen mit der CDU verurteilen. Dies gelte auch für die Ost-West- Stadt Berlin. Barbara Junge

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