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BSE bleibt ein europäisches Problem

Nordrhein-Westfalen will mit flächendeckendem BSE-Test die EU zum Handeln bringen. Besorgniserregende Studie über Infizierung des Menschen durch Hornspäne findet bei Regierungen wenig Beachtung  ■ Von Reiner Metzger

Berlin (taz) – Mit einem BSE- Test will die Regierung Nordrhein- Westfalens Druck auf die EU machen. Als erste Region in der EU erprobt NRW einen Prionen-Test aus der Schweiz flächendeckend an 5.000 Rindern. Prionen sind die krankheitserregenden Eiweiße des Rinderwahns. Der neue Test macht laut Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) kranke Tiere bereits ein halbes Jahr vor Ausbruch der Krankheit dingfest. Trotzdem ist er in der EU bisher nicht zugelassen, geschweige denn Vorschrift – trotz ständig neuer BSE-Fälle bei Rindern vor allem in Großbritannien.

36 Personen waren bis zum Januar dieses Jahres an der beim Menschen auftretenden BSE- Form gestorben, schreibt die Human BSE Foundation, sechs weitere lagen nach ihren Angaben im Sterben. Die bisher vor allem britischen Opfer litten an der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob- Krankheit. Diese kurz nVCJK genannte Form der Gehirnkrankheit tritt erst auf, seit Hunderttausende von Rindern an Rinderwahn erkrankt sind.

Irene Soltwedel-Schäfer von der Grünen-Fraktion im Europaparlament beschäftigt sich seit Jahren mit dem Übergang der Tierseuche auf den Menschen. Sie kritisiert, daß die menschliche Form der BSE kaum Beachtung findet. Eine viel größere Rolle in den Regierungsgremien hätte das finanzielle Problem der Beseitigung der Rinderkadaver oder die Sicherung des Fleischabsatzes gespielt. „Dabei kostet der Schnelltest der Prionics AG nur etwa 10 Pfennig pro Kilo Rindfleisch“, meint sie.

Noch längst ist nicht alles aufgeklärt bei BSE. Zu denken gibt vor allem eine Studie des Instituts für Neurologie in Göttingen. Ihm werden seit der Meldepflicht 1990 alle Fälle von Verdacht der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit mitgeteilt. In einer schon drei Jahre alten Auswertung der bis dahin 116 CJK-Fälle trat eine erstaunliche Beziehung auf: 21 der Erkrankten hatten Kontakt mit Hornspänen. Damit lag der Anteil derer, die Hornspäne als Dünger verwenden, in der Gruppe der Erkrankten dreimal höher als in einer Kontrollgruppe von Gesunden – eine Korrelation, die in dieser Deutlichkeit sonst nur bei Leuten auftrat, die BSE-verdächtiges Rindfleisch, Hirn oder ähnliches gegessen hatten.

Dieser an sich alarmierenden Tatsache wurde bisher kaum nachgegangen. Laut Soltwedel-Schäfer liegen bis heute trotz diverser Nachfragen keine weiteren Ergebnisse vor. Eine wissenschaftliche Erklärung für die seltsame Korrelation CJK/Hornspäne gibt es nicht. Dabei kommen mit Gärtnern, Landwirten und Gartenliebhabern durchaus einige Menschen mit den Spänen in Kontakt, wenn sie mit bestimmten Düngern ihr Gemüse päppeln.

Auch dem deutschen Gesundheitsministerium liegt die Göttinger Studie seit 1996 vor. Bis jetzt ist aber noch keine Reaktion aus Bonn zu vernehmen. Vielleicht werden aber weitere Forschungen durch den Abschlußbericht der CJK-Studie angestoßen. Der ist für April geplant.

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