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Fall LaGrand erreicht Den Haag

Die Bundesregierung hat beim Internationalen Gerichtshof Klage gegen die USA eingereicht. Völkerrechtsexperten sehen Erfolgschancen für Walter LaGrand  ■ Von Gudula Geuther

Karlsruhe (taz) – Nachdem die Bundesregierung Dienstag nacht Klage gegen die USA beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag eingereicht hat, um die Vollstreckung des Todesurteils an Walter LaGrand in Arizona zu verhindern, kam prompt vom Gericht eine Zwischenantwort: Die USA sollten mit der Vollstreckung warten, damit eine Entscheidung noch Auswirkungen haben kann. Der eine der beiden wegen Mordes in Arizona zum Tode verurteilten deutschen Brüder, Karl LaGrand, war schon in der vergangenen Woche hingerichtet worden. Ging es nach der Gouverneurin von Arizona, Jane Hull, sollte Walter gestern abend gegen 23 Uhr sterben. Der Münchner Völkerrechtsexperte Bruno Simma rechnet sich für das Verfahren vor dem IGH rein rechtlich gewisse Erfolgschancen aus. Hätte die Bundesregierung früher klagen sollen?

Das Bundesjustizministerium stand einer Klage offen gegenüber. Ministerin Herta Däubler-Gmelin hatte schon in einem Brief am 19. Februar Außenminister Joschka Fischer aufgefordert, die Möglichkeiten einer Klage „aus prinzipiellen Erwägungen“ zu prüfen. Auch das Auswärtige Amt scheint eher klagewillig gewesen zu sein. Zumindest sagte die Grünen-Abgeordnete Claudia Roth gegenüber der taz, sie glaube nicht, daß es sich bei dem Nein um eine Entscheidung des Auswärtigen Amtes gehandelt habe, sondern der Regierung (siehe taz vom 26.2.). Der deutsche Strafverteidiger der LaGrands, Steffen Ufer, hatte denselben Eindruck: „Das Kanzleramt hat bis Dienstag, 19 Uhr gebremst. Das verbittert.“ Aus dem Kanzleramt selbst ist darüber nichts zu erfahren.

Gründe für eine Klage hätte es genügend gegeben. Politiker und Völkerrechtler in Deutschland sind sich weitgehend einig, daß die USA gegen internationales Recht verstoßen haben. Nach dem Wiener Konsularrechtsübereinkommen (WÜK) hätten deutsche Behörden schon im Verfahren informiert werden müssen, daß es sich bei den Brüdern um deutsche Staatsangehörige handelt. Tatsächlich wußte das Generalkonsulat aber erst 1992 davon, acht Jahre nach der Verurteilung.

Die Erfolgsaussichten einer Klage beurteilten Experten trotzdem unterschiedlich. Schließlich hatte Deutschland seit 1992 rechtlich nichts unternommen, sondern sich darauf beschränkt, humanitäre Argumente geltend zu machen. In dem Brief schrieb Däubler-Gmelin, wollte man jetzt klagen, könnte das der Bundesregierung möglicherweise als „widersprüchliches Verhalten“ entgegengehalten werden. Allerdings hatte der zuständige Staatsanwalt in einem Gnadenverfahren für Karl LaGrand klar gemacht, daß die US-Behörden schon vor Klageerhebung von der deutschen Staatsangehörigkeit wußten. Daß sie trotzdem nicht informiert haben, könnte schwerer wiegen als das vorherige Zögern.

Ufer ist sich sicher: „Es hätte sofort geklagt werden müssen.“ Simma kann die vorherige Haltung der Bundesregierung trotzdem verstehen. „Es ist bekannt, daß die USA oft empfindlich reagieren, wenn gegen sie rechtliche Schritte ergriffen werden.“ Er verweist auf einen ähnlichen Fall, in dem Paraguay im letzten Jahr vor dem IGH eine einstweilige Anordnung erwirkt hat. Die Todesstrafe wurde trotzdem vollstreckt.

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