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Neues Georgel aus dem Off

■ Das Junge Theater an der Friesenstraße klagt wieder mal und nicht zu Unrecht über Geldnot / Ein neuer Förderverein will den Verantwortlichen für die Dauermisere jetzt als Lobby auf Schlipse und Füße treten

O, nein, nicht schon wieder. Das Junge Theater an der Friesenstraße schlägt wie im letzten Jahr und im vorletzten Jahr und im vorvorletzten Jahr Alarm. Die Förderung durch die Kulturbehörde reicht von vorne bis hinten nicht; der Kulturbehörde ist die Arbeit des sogenannten Off-Theaters nicht das wert, was sie wert ist; und wenn sich das nicht bald ändert, muß das Theater schließen, lautet die Litanei. „Wir haben alle diesen guten Argumente schon so oft durch den Kopf georgelt“, sagt deshalb Viertelbürgermeister Robert Bücking. Und auch gestern hat das Junge Theater wieder georgelt. Doch diesmal klang es ein bißchen anders. Also auf: von wegen „o, nein“, sondern: jetzt erst recht!

Denn Ulrich von Behr war da, und Theo Bührmann war auch da. Der Rechtsanwalt von Behr, der über die künstlerischen Taten auf das Junge Theater aufmerksam geworden ist, hat jetzt einen Förderverein mit begründet und wird fortan allen, die für die Dauermisere verantwortlich sind, als Lobbyist auf die Füße treten. Auch Getränkehändler Theo Bührmann hat sein Herz ans Junge Theater verloren: „Ich wußte vorher gar nicht, daß es Sie gibt“, sagt der Mittelständler aus dem Bilderbuch, der Zigarren raucht und so ruppig wie gerad' heraus redet. Auf Anregung seines Mitarbeiters Jo Schlosser, der aus der Kulturbehörde in den Getränkehandel gewechselt ist und nun einmal etwas fürs Junge Theater tun wollte, hat er dem Ensemble 3.500 Mark gespendet. Nun sitzt er da und verkündet die Losung: „Leute, die jammern, mag ich nicht, und man muß sich auch selbst helfen“, und verspricht: „Bei uns können Sie jedes Jahr auflaufen.“

Dabei haben die Leute vom Jungen Theater, die sich – mal wieder – keinen Lohn auszahlen, allen Grund zum Jammern. Auch wenn sie sich geschickt verstellen, gibt es einfach (noch) nicht genug Theo Bührmanns in der Stadt und dafür zu viele taube Ohren in der Kulturbehörde. „Vor Juli/August wird sich nichts tun“, erinnert sich Theaterförderer Ulrich von Behr an die erste amtliche Auskunft und schimpft: „Die sitzen auf dem Geld, als wäre es ihr eigenes. Dabei ist das unser Geld.“

O Jammer. Doch was wollt Ihr eigentlich? Eine Million Mark Umsatz macht das Theater pro Jahr. Davon kommen nach der Rechnung des künstlerischen Leiters, der Ralf und mit Nachnamen ausgerechnet Knapp heißt, 200.000 Mark Förderung von der Stadt. „Das muß mehr werden“, fordert er. Zumal jetzt die dreijährige Anschubfinanzierung mit jährlich 190.000 Mark von der Waldemar-Koch-Stiftung, Banken und anderen Sponsoren ausgelaufen ist. „Ein Drittel Förderung wäre angebracht“, glaubt Ortsamtsleiter Robert Bücking. Und: „Die Kulturbehörde begreift nicht, für wie wenig Geld man wie viel kriegen kann, wenn man die richtigen Partner sucht.“

Und? Begreifen sie wirklich nicht? „Das Junge Theater hat einen Antrag auf Verdopplung des Zuschusses gestellt“, so Behördensprecher Rainer Gausepohl. Dieser Antrag werde genau geprüft. Das Zögern klingt beinahe verständlich: Denn mehr Förderung weckt auch schnell mehr Begehrlichkeiten. Doch wenn es um die Kunsthalle, das Gerhard-Marcks-Haus oder das Musikfest geht, sitzen die Hunderttausender aus Kultur- oder Wirtschaftsressort erheblich lockerer. Aber auch beim Jungen Theater treibt die Bremer Sanierungsphilosophie aus Investieren und Sparen seltsame Blüten: Das Junge Theater krebst mit seinem 1998 zwar um 50.000 auf 200.000 Mark erhöhten (in anderen Töpfen aber wieder gekürzten) Zuschuß noch immer herum. Gleichzeitig wurden Gutachten für einen millionenschweren Bau eines Hauses für freie Theater eingeholt. Im Behördendeutsch heißt es aber: „Der Vorgang ruht.“

Im Gegensatz zum Jungen Theater. Ende März feiert mit „www.mann.frau.hut.de“ seine Bearbeitung von Oliver Sax' „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“ Premiere. Und auch wenn sich Tops und Flops in all den Jahren die Waage halten, gehören die Leistungen dieses Theaters endlich gewürdigt. Das Ensemble hat Stücke inszeniert, die erst nach solchen Probeläufen an Stadttheatern gespielt wurden. Tim Fischer und Cora Frost begannen auch an der Friesenstraße ihre Karrieren. Kurzum: Die HungerkünstlerInnen aus dem Steintor haben ein Näschen für Trends. Bücking: „Wir verpassen etwas, wenn wir das nicht fördern.“ Christoph Köster

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