piwik no script img

Weiterklagen trotz Hinrichtung?

■ Nach der Tötung von Walter LaGrand prüft Bonn, das Verfahren in Den Haag wegen Verletzung der Wiener Konvention fortzusetzen

Karlsruhe (taz) – Walter LaGrand ist tot. Trotz internationaler Proteste und eines vorläufigen Spruchs des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag, die Todesstrafe gegen den Deutschen nicht zu vollstrecken, wurde er am Mittwoch hingerichtet. Gestern nachmittag war noch unklar, ob die Bundesregierung das IGH-Verfahren auch in der Hauptsache durchziehen wird. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte, die Frage werde geprüft.

Der Prozeß wäre auch nach der Tötung nicht gegenstandslos. Drei Deutsche, darunter die Brüder Apelt, sitzen noch in US-Todeszellen. Ob ein Spruch aus Den Haag sich auch auf sie beziehen könnte, ist unklar. Denn das Gericht entscheidet nicht über die Vollstreckung der Todesstrafe, sondern nur über die Verletzung von Völkerrecht, genauer: Darüber, ob das Wiener Konsularrechtsübereinkommen verletzt wurde, das eine frühzeitige Information der Heimatbehörden vorschreibt. Deshalb hängt die Wirkung des Den Haager Spruchs auf die Brüder davon ab, ob die Amerikaner auch in ihrem Fall diese Vorschrift ignoriert haben. Der deutsche Strafverteidiger Steffen Ufer, der die Apelts betreut, bejaht das, das Auswärtige Amt dementiert.

Unsicher sind auch noch die Erfolgsaussichten der Klage. Das bestätigte Justizministerin Herta Däubler-Gmelin, die zuvor in einem Brief an Außenminister Joschka Fischer die Gründe erklärt hatte: Da die Bundesrepublik seit 1992 wußte, daß es sich um Deutsche handelt und trotzdem keine rechtlichen Schritte ergriffen hatte, könnte ihr „widersprüchliches Verhalten“ entgegengehalten werden. Allerdings ist unklar, ob die USA nicht schon bei Anklageerhebung von der deutschen Staatsangehörigkeit wußten. Nach Ansicht des Münchner Völkerrechtsexperten Bruno Simma wäre die rechtliche Situation dann völlig anders zu bewerten.

Ob eine Entscheidung aus Den Haag den Verurteilten helfen würde, ist nicht gesagt. Schließlich hat sich Arizona auch über den vorläufigen Spruch hinweggesetzt. Daß ein Bundesstaat den IGH ignoriert, ist auch kein Einzelfall. Der Grund, trotzdem weiterzuklagen, könnte deshalb auch in der Apellwirkung der Entscheidung liegen. Der Münchner Völkerrechtsexperte Bruno Simma sagte, der Bundesrepublik bliebe wohl nichts anderes übrig, als weiterzuklagen. Ein weiterer Grund für die Klage könnte sein, die Einstellung Deutschlands zur Todesstrafe klar zu machen. Gudula Geuther

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen