Kamera? Kamera läuft!

Ein normaler Dienstag morgen, taz-Büro Bonn. Die versteckte Kamera 1 im Kanzleramt zeigt Bundeskanzler Schröder, der seine Gottschalk-Perücke vor dem Spiegel ausprobiert. Kamera 2 zeigt Oskar Lafontaine, der im Finanzministerium mit Dartpfeilen auf eine Schröderfigur zielt. Mein Blick fällt zufällig auf Bildschirm 23. Wie immer sitzt da ein älterer Mann mit ordentlich gescheiteltem grauem Haar, Sandalen, Hochwasserleinenhose, Lederweste. Keine Ärmelschoner. Kamera 23 steckt im PDS-Fraktionsbüro.

Ich starre entrückt auf den Schreibtisch, die graue Filzauflage, die fünf nebeneinander ausgerichteten Bleistifte, den schwarzen Elefantenbriefbeschwerer, bade in ordnungsgemäßer Wohlanständigkeit – plötzlich explodiert der Mann. Sein Kopf ruckt nach vorn, seine linke Hand greift nach einem Blatt Papier. „Zoom ran, zoom ran“, rufe ich in die Regie. Das Blatt Papier wird größer und größer, da ist ein Kreis mit vielen Pünktchen, jetzt ist der Bundesadler zu sehen – das Logo des Bundestages.

Enttäuscht will ich mich wieder dem Kanzleramt zuwenden, weil es inzwischen 10.30 Uhr ist und der Kanzler um diese Zeit immer das Video der Harald- Schmidt-Show guckt, da langt der PDS-Mann zur Lupe und führt sie dicht an das Logo heran. Er nimmt einen Bleistift, zählt die Punkte, kritzelt etwas nieder, zählt nach, und dann erstrahlt sein Gesicht in zufriedenem Lächeln. Ich bin verwirrt.

Vier Stunden später rattert ein PDS-Fax ins Büro. Das Pressezentrum des Bundestages verwende für seine Pressemitteilungen ein veraltetes Logo. „Es bildet den Bundestag so ab, wie er in der 12. Legislaturperiode zusammengesetzt war. Dort, wo Bündnis 90/Die Grünen und PDS im Plenarsaal sitzen, fehlen die Punkte, die die Plätze in der ersten Sitzreihe markieren.“ Die PDS bitte um Anpassung.

Wie gut, daß es im Kanzleramt Neues gibt. Schröder pudert sich die Nase. Markus Franz