: Rot-Grün will befristeten Doppelpaß
■ Der Entwurf der rot-grünen Koalition für ein neues Staatsbürgerschaftsrecht sieht den Doppelpaß bis zum23. Lebensjahr vor. 86 Abgeordnete der SPD und Bündnisgrünen kritisieren Einschwenken auf das FDP-M
Bonn (taz) – Jetzt soll alles ganz schnell gehen. Schon am 16. März wollen SPD und Grüne einen Kabinettsentwurf zur Reform des Staatsbürgerschaftsrechtes vorlegen. Ziel ist, noch vor der Sommerpause das Gesetz unter Dach und Fach zu bringen.
Am Donnerstag trafen sich Vertreter der Regierungs-Fraktionen, Innenminister Otto Schily und die Ausländerbeauftragte Marieluise Beck im kleinen Kreis, um den Zeitplan und die inhaltliche Linie des neuen Staatsbürgerschaftsrechtes festzuklopfen. Für den ersten Entwurf von Innenminister Otto Schily (SPD), der die generelle Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft vorsah, gibt es seit der Hessen-Wahl keine Mehrheit im Bundesrat mehr. „Völlig überrollt“ fühlt sich die SPD-Abgeordnete und Juso-Vorsitzende Andrea Nahles. Bis zum 16. März sei kaum Zeit, noch Einfluß zu nehmen. Dabei bestehe noch erheblicher Diskussionsbedarf.
Gegen den neuen Entwurf hat sich inzwischen eine breite Front gebildet. 86 Abgeordnete der Koalitionsparteien haben ein Papier unterschrieben, in dem sie wesentliche Änderungen am jüngsten Schily-Papier fordern. Der umstrittene Entwurf integriert das Optionsmodell der FDP, um es schon im ersten Anlauf durch den Bundesrat zu bringen. Demnach müssen sich ausländische Jugendliche, die von Geburt an den deutschen und einen ausländischen Paß besitzen, zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Erwachsene können nach dem neuen Schily- Entwurf grundsätzlich nur eingebürgert werden, wenn sie ihre alte Staatsbürgerschaft aufgeben. Der regelmäßige Doppelpaß wäre damit vom Tisch.
Allerdings ist ein ganzer Katalog mit Ausnahmen vorgesehen. Den Doppelpaß soll auch bekommen, wer Bürger der EU ist, länger als 30 Jahre in Deutschland lebt, das 60. Lebensjahr überschritten hat oder befürchten muß, durch Aufgabe seiner alten Staatsbürgerschaft Besitz oder Rechtsansprüche in der alten Heimat zu verlieren.
Verschärft worden sind die Voraussetzung für den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft. Von Geburt an ist sie nur zu erlangen, wenn die Eltern länger als 8 Jahre hier leben. Außerdem müssen sie eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis vorweisen und selbständig und „nachhaltig“ für ihren Lebensunterhalt aufkommen. Wer, ob selbst verschuldet oder nicht, staatliche Leistungen erhält, kann ebensowenig einen Anspruch auf Einbürgerung geltend machen wie derjenige, der im Laufe seines Lebens wegen Gesetzesübertretungen zu mehr als 90 Tagessätzen verurteilt wurde.
Der Widerstand der 87 Unterzeichner entzündet sich vor allem an der 30-Jahre-Regelung. Die solle auf 15 Jahre runter, sagt Andrea Nahles. Eine Million Menschen könnten so zusätzlich eingebürgert werden. Außerdem dürfe niemandem die deutsche Staatsangehörigkeit verweigert werden, nur weil er Sozialhilfe beziehe. Prinzipiell stehen die Unterzeichner weiter hinter der generellen Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft. Die Optionslösung halten sie für falsch. Es sei nicht einmal klar, ob sie einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten könne.
Der SPD-Spitze warf Nahles vor, zu schnell auf eine Kompromißlinie mit der FDP eingeschwenkt zu sein. Schließlich hätte das Gesetz auch gesplittet werden können in einen zustimmungspflichtigen und einen nichtzustimmungspflichtigen Teil. Ihr sei der Konsens weniger wichtig, als eine möglichst große Zahl von Ausländern einbürgern zu können. Grüne Parteikreise warnten die Regierung: Ändert sich am aktuellen Entwurf nichts, könnte er schon Bundestag keine Mehrheit finden. Thorsten Denkler
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