Kommentar: Vage Hoffnung
■ In Berlin sind die Theater immer wieder am falschen Ort
Berlin hat die falschen Theater am falschen Ort. In Mitte, wo die Kulturszene seit dem Fall der Mauer boomt, haben die historischen Zuschauerräume Puppenstubenformat – jedenfalls für die Verhältnisse einer Millionenstadt. Während das Wiener Burgtheater oder das Hamburger Schauspielhaus weit mehr als tausend Besucher aufnehmen können, bringt es das „Staatstheater des Landes Berlin“, das Deutsche Theater, gerade auf halb so viele Plätze. Auch die Staatsoper kann sich an Fassungsvermögen mit wahren Weltstadt- Opernhäusern nicht messen.
Steht ausnahmsweise eine wirklich spannende Neuproduktion auf dem Spielplan, sinken die Chancen auf eine Karte rapide. Wenn die Auslastungszahlen nicht immer Traumwerte erreichen, so liegt das ausschließlich an dem (noch) herrschenden Mangel an kunstsinnigem Publikum in Berlin und in einem bisweilen wenig ansprechenden Angebot der Bühnen selbst.
Unterdessen halten in der einstigen Westberliner City riesige Theater die Erinnerung daran wach, daß die kulturelle Geographie der Stadt bis vor einem Jahrzehnt ganz anders aussah. Die Deutsche Oper etwa leidet an der schieren Größe von Bühne und Zuschauerraum, die sich fast nur für Monumentalproduktionen eignen. Die Staatsoper als hauptstädtische Repräsentationsbühne könnte diese Dimensionen gut verkraften, die Deutsche Oper nicht. Dem Schiller Theater schließlich wurde die falsche Größe am falschen Ort zum tödlichen Verhängnis: Nach dem Mauerfall ins kulturelle Abseits gedrängt, blieben viele Stuhlreihen leer. Die schlechten Auslastungszahlen machten dem Senat das Abwickeln leicht.
Jetzt will Kultursenator Radunski die Entscheidung seines Vorgängers teilweise wieder rückgängig machen, indem er das Schiller Theater für Festspiele und Gastspiele wiederbelebt. Damit folgt er der Erkenntnis, daß Berlin ein Theater dieser Dimension braucht – oder zumindest brauchen wird, wenn das interessierte Publikum wächst. Daß sich die Zuschauer auf der Suche nach Neuem und Bewegendem eines Tages wieder nach Charlottenburg begeben, bleibt vorerst aber nichts als eine vage Hoffnung, die sich mit einem vagen Gastspielkonzept nur schwer erfüllen läßt. Ralph Bollmann
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