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Neue „Helden“ der Popkultur

■ Die Literaturzeitschrift STINT feiert heute das Erscheinen der 25. Ausgabe und wird bald einen Generationswechsel in der Redaktion einleiten / Ein Gespräch mit den „Jung“-Redakteuren Tim Ingold und Tim Schomacker

Heute abend wird in der Stadtwaage bei Sekt und kaltem Stint-Buffet die Jubiläumsausgabe des STINT präsentiert. Die 1986 in Bremen gegründete Zeitschrift für Literatur erscheint zum 25. Mal. Mit dieser Ausgabe wird auch ein Großteil der „alten“ Redaktion den STINT verlassen. Die taz sprach mit Tim Ingold und Tim Schomacker, zwei jungen Mitgliedern der STINT-Redaktion, über die Folgen dieses anstehenden Generationswechsels auf Form und Inhalt der nächsten Ausgaben.

taz: Bernd Gosau, Mitbegründer des STINT, hat vor Jahren in einem taz-Interview gesagt, in jeder STINT-Ausgabe müsse sich ein Berühmter, ein Toter, einer, der über Bremen schreibt, ein im Handwerk Bewährter und ein junger Autor finden. Mit Gosau werden bald einige „alte“ Redakteure wie Dieter Tönsmeier, Max Schmalz und Jan Osmers den STINT verlassen. Bleibt diese Definition für Euch weiter bindend?

Tim Schomacker: Es ist fraglich, ob sie sich überhaupt in den bisherigen STINT-Ausgaben wiederfinden läßt. Es ist sicher so, daß die bisherige Redaktion eine formale Strenge an den Tag gelegt hat, an die wir uns nicht mehr halten werden. Durch den Generationenwechsel in der Redaktion – das nächste Heft wird eine Redaktion machen, in der dreiviertel der Leute unter 30 Jahre alt ist – sind ganz andere Interessenslagen gegeben. Die alte schreckliche Losung „Wir wollen einen bunten Blumenstrauß von Literatur im Heft haben“, mit der der STINT aus der Außenperspektive ja oft identifiziert wird, lehnen wir ab.

Wir werden in Zukunft verstärkt Themenhefte mit einem stark ausgebauten Rezensionsteil machen. Wir wollen zwar daran festhalten, ein Forum für junge Autoren zu sein. Doch wir wollen uns bei der Auswahl nicht mehr an der Frage orientieren, ob die Leute aus Bremen kommen. Die enge Bindung an Bremen wird wegfallen, ebenso wie die ganze Abteilung der Bremensien. Der lokale Bezug ist für die neue STINT-Redaktion nicht mehr so wichtig.

Der STINT hat sich immer dagegen gesperrt, satirische oder zynische Texte zu veröffentlichen. Hätten denn in Zukunft Autoren wie Wiglaf Droste eine Chance?

Tim Ingold: Auf jeden Fall. Ob ein Text zynisch ist oder nicht, entscheidet nicht darüber, ob er gut ist oder schlecht. Bernd Gosau hat immer vertreten, daß Literatur nicht zynisch sein darf. Aber er hat auch gesagt, das wir tun können, was wir wollen, wenn er weg ist. Und das werden wir tun. Das heißt: Zynische Texte sind willkommen.

Tim Schomacker: Das hängt auch damit zusammen, das wir einen klaren politischen Schwerpunkt setzen wollen. Literatur bewegt sich immer in gesellschaftlichen Bezügen und wird, für junge Autoren sehr präsent, weitgehend über Marktmechanismen reguliert. Diese Zusammenhänge wollen wir im STINT immer wieder in literarischer, essayistischer oder analytischer Weise thematisieren. Und Satire im weitesten Sinne kann da ein adäquates Mittel sein, um zu provozieren – ohne damit sagen zu wollen, daß der STINT eine Provo-Schiene fahren will.

Gibt es schon Ideen für zukünftige Hefte?

Tim Schomacker: Wir werden zum Beispiel etwas zu feministischer Literatur und Literaturkritik machen, weil sich unsere einzige Redakteurin – Interessentinnen sind herzlich willkommen – seit langem damit beschäftigt. Dann wird es, auch wenn das zur Zeit schon eine Mode zu werden droht, etwas zu Literatur im Zusammenhang mit Popkultur geben, weil das etwas ist, was uns alle in der Redaktion sehr beschäftigt.

Ist es Zufall oder symptomatisch für den neuen STINT, daß Ihr Euch beide für Literatur interessiert, journalistisch tätig seid und überdies noch Musik macht?

Tim Ingold: In der Redaktion war das schon immer so, daß die Leute aus unterschiedlichen Bereichen kamen. Allein das ist also nicht neu. Aber wir tragen diese überlappenden Interessen stärker ins Heft, insofern wir den Literaturbegriff, den wir zugrunde legen, viel weiter fassen. Die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Genres und Künsten gehören für uns selbstverständlich in ein Heft, das sich Zeitschrift für Literatur nennt.

Habt Ihr schonmal Stint gegessen?

Ingold, Schomacker: Nee, ist heute abend für uns auch Premiere.

Der riecht nach fauler Gurke ...

Tim Ingold: Wir werden sehen, ob das Auswirkungen auf den Namen der Zeitschrift haben wird ...

Fragen: zott

„Silberfisch“, die Lesung aus dem STINT-Jubiläumsheft, beginnt heute abend um 20 Uhr in der Stadtwaage. Der Eintritt ist frei

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