■ Standbild: Beblödelung odioser Szenen
„TV total“, Mo., 22.15 Uhr, Pro 7
Ein hartes Wort vorweg: Die Fernsehkritik versagt in pleno kläglich bei der Erfassung des Alltagsfernsehens. Ob man die Meinungspresse bis hinab zur wöchentlichen Werbegazette auf- oder in Jahrbüchern nachschlägt, auf deutschen Bildschirmen scheint sich kaum mehr zu ereignen als Rauf-Talk, „Tatort“, Feldbusch. Das Fernsehen selbst übernahm es, diesem Defizite abzuhelfen. „Zapping“ und „Kalkofes Mattscheibe“ (Premiere) vermittelten seit Jahren schon unverschlüsselte Ansichten aus dem Wildwuchsbereich des Fernsehens, wo häufig ganz im verborgenen die schillerndsten Pflänzchen gedeihen.
Auch Stefan Raab lugt in diese Randgebiete. Ehedem bei Viva Lauser vom Dienst, nähert er sich mählich der Altersgrenze, bei deren Erreichen Viva-Moderatoren laut Hausordnung eingeschläfert werden müssen. Rechtzeitig setzte sich Raab zu Pro 7 ab – auf dem Weg dahin, vielleicht eines Tages „Die Lotto-Show“ oder „Melodien für Millionen“ zu übernehmen. In „TV total“, von seiner eigenen Firma produziert, die nicht ohne Grund Metzgerei Raab TV genannt wurde, präsentiert er obskure und odiose Szenen der abgelaufenen Fernsehwoche, beblödelt sie ein wenig, stellt drei Protagonisten solch ausgefallener Auftritte vor und zur Schau und läßt vom Saalpublikum den Fernsehpreis „Raab der Woche“ vergeben. Die Rubriken „Raab in Gefahr“ – Raab auf Außenreportage“ – und das „Raabigramm“ – Raab trägt einem prominenten Opfer ein beleidigendes Couplet vor – runden die Chose ab.
Daß die Komponenten der Sendung alle schon mal dagewesen sind, ist im Zeitalter der postmodernen Show kein Manko. Nur an der Ausführung hapert es. Fälschlicherweise verläßt sich Raab reinweg auf seine Spontaneität, so daß die Werbeblöcke – Feldbusch, „Emergency Room“- Parodie, „Die Bahn kommt!“ – mehr Pointen zu bieten hatten als das sie umfangende Programm.
Raabs zweifellos vorhandenes Talent blieb ungenutzt. Vielleicht sollte er sich den in gleichem Maße begnadeten Selbstdarsteller Michael Moore zum Vorbild nehmen, der in seiner US-Reihe „TV Nation“ wacker Großindustriellen, Politikern und sogar dem Ku-Klux-Klan mit Kamera und Mikrofon zu Leibe rückte und dabei bittere, aber echte Realsatire zustande brachte. Harald Keller
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