Bis zum nächsten Karfreitag

Heute verstreicht in Nordirland die 1998 gesetzte Frist zum Antritt einer Allparteienregierung. Streit um IRA-Waffen überschattet andere Fortschritte  ■   Aus Dublin Ralf Sotscheck

Ab heute sollte eigentlich alles anders werden in Nordirland. Die britische Regierung wollte einen Teil der Macht in der Krisenprovinz auf das Regionalparlament übertragen. Doch die Frist konnte nicht eingehalten werden, denn die Frage der Abrüstung der paramilitärischen Gruppen ist nach wie vor ungeklärt. Und ohne Abgabe der IRA-Waffen bekommt der politische Flügel Sinn Féin keine Ministerposten.

Der 10. März sei ja in Wirklichkeit gar keine Frist gewesen, sondern ein Ziel, sagte jetzt die britische Nordirland-Ministerin Marjorie Mowlam. Neues Ziel, diesmal aber wohl doch eher eine Frist, ist nun die Karwoche, die am 29. März beginnt. Am Karfreitag, dem 2. April, jährt sich das britisch-irische Abkommen für den Frieden in Nordirland, wenn auch strenggenommen der Karfreitag 1998 eine Woche später lag.

Die am Friedensprozeß Beteiligten setzen nun auf den US-Präsidenten Bill Clinton. In dieser Woche brechen sämtliche hochrangigen Politiker beider Teile Irlands nach Washington auf, denn am nächsten Mittwoch, dem irischen Nationalfeiertag zu Ehren St. Patricks, findet im Weißen Haus ein großer Empfang statt. Clintons Berater haben allerdings vor allzu viel Optimismus gewarnt: Es werde Überredungskunst und Ermutigungen geben, sagte einer, aber keine Verhandlungen.

Gestern versuchten der designierte nordirische Premierminister und Unionistenchef David Trimble sowie Sinn Féin, der politische Flügel der IRA, bei einem Treffen im Belfaster Schloß Stormont einen Weg aus der Sackgasse zu finden, doch beide Seiten haben kaum Spielraum. Die IRA, so heißt es, habe begonnen, wieder Mitglieder zu rekrutieren und auszubilden, und Trimble hat im Regionalparlament auf unionistischer Seite genauso viele Gegner wie Anhänger. Bei einer Umfrage erklärten kürzlich nur noch 41 Prozent der unionistischen WählerInnen, daß sie bei einem Referendum erneut für das britisch-irische Abkommen stimmen würden.

Einen neuen Volksentscheid wird es freilich nicht geben, und bei dem Hickhack um die Ausmusterung der IRA-Waffen darf nicht übersehen werden, daß die meisten anderen Punkte des Karfreitagsabkommens bereits umgesetzt oder in Angriff genommen worden sind: Die Mitglieder der Menschenrechtskommission sind vorige Woche benannt worden, der Ausschuß gegen antikatholische Diskriminierung bei der Jobvergabe ist in wenigen Wochen einsatzbereit, die meisten Gefangenen sind freigelassen, die Reform der Polizei und der Justiz steht zumindest auf der Tagesordnung.

Außerdem stimmte das Regionalparlament im Februar mit 77 zu 29 Stimmen für die Einrichtung von zehn Ministerien und sechs gesamtirischen Institutionen. Vorige Woche einigten sich Trimble und der irische Premierminister Bertie Ahern auf vier Verträge über die Einzelheiten der grenzüberschreitenden Behörden, am Montag wurden sie unterzeichnet. Die Institutionen können die Arbeit aufnehmen, sobald die nordirische Regierung eingesetzt ist.

Die Aktivitäten der IRA sind denn wohl eher Drohgebärden. Die Forderung nach Herausgabe der Waffen sei „ein letzter, qualvoller Akt der Demütigung“, sagt der ehemalige IRA-Mann Tommy McKearney, dessen drei Brüder im nordirischen Konflikt getötet worden sind. Sollte die IRA darauf eingehen, könne das zu einer blutigen Spaltung führen.

Jetzt hat ein britischer Regierungsbeamter angedeutet, daß Waffenabgabe und Einsetzung der nordirischen Regierung gleichzeitig passieren könnten, damit niemand feststellen kann, was zuerst kam. Dadurch, so hofft man, verliert keine Seite ihr Gesicht.