piwik no script img

Abschied von rot-Grün?

■ „Nach Ostern beginnt die heiße Phase des Wahlkampfs“ / Fragen an die Grünen Helga Trüpel und Helmut Zachau

taz: Können die Grünen ihren Wahlkampf jetzt abbrechen? Scherf will Bremen zuliebe nur mit den Schwarzen, und neben Scherf gibt es niemanden in der SPD.

Helga Trüpel: Wir wenden uns an diejenigen auch in der SPD, die sich diese Form der Machtanmaßung nicht gefallen lassen wollen. Die Tatsache einer großen Koalition galt bisher als Ausnahme in einer Demokratie. Daß Scherf das zu einer Wunschkonstellation umdeutet, ist grotesk. Wer überhaupt noch ein Interesse an der politischen Auseinandersetzung in der Stadt hat, der muß darauf setzen, daß die Grünen stark werden.

Scherfs Begründung ist eine sachliche. Er sagt: Wir wollen Bremen retten, das ist mit den Grünen nicht möglich, weil die schon dagegen sind, Häuschen auf grüne Wiesen zu bauen, um die Einwohner zu halten.

Das ist eine sehr eindimensionale Sanierungsvorstellung, die man nur der CDU zutrauen würde. Darüber wollen wir uns gern auseinandersetzen.

Was Scherf hinter sich hat, ist die gute Stimmung, alles positiv.

Die Stimmung ist besser als die tatsächlichen Bilanzen.

Wieso gelingt es nicht, das den Leuten deutlich zu machen?

Der Senat hat versprochen, in diesen Jahren 40.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen, und nun sinkt die Zahl der Erwerbstätigen dennoch Jahr für Jahr. Das ist eine Information, die viele hat aufhorchen lassen, und wo es dämmern müßte, daß die Situation lange nicht so gut ist wie die Stimmung aus dem Land des Lächelns. Es dauert oft eine Zeit, bis eine herbeigeredete Stimmung kippt.

Wann beginnen die Grünen ihren Wahlkampf?

Nach den Osterferien beginnt die heiße Phase des Wahlkampfs.

Werden die Grünen den Kampf um die Macht aufnehmen?

Wir werden offensiven Wahlkampf gegen die große Koalition und ihre Form der Sanierungs-, Investitions- und Stadtentwicklungspolitik machen.

Kann man mit Scherf dann doch rot-grün machen?

Wenn er sich nicht wieder ändert – nicht.

Eine ernsthafte Reaktion der Grünen auf die Äußerungen von Scherf gab es bisher nicht.

Helmut Zachau: Was soll man dazu sagen, wenn jemand seine Partei so demontiert wie Scherf das macht. Das muß die SPD erst einmal mit sich klären.

Die SPD hat keine personelle Alternative, sie muß Scherf folgen.

Das sehe ich nicht so. Die SPD muß sich doch darüber klar werden, was sie inhaltlich will.

Können die Grünen auf die Diskussion in der SPD Einfluß nehmen?

Klar, indem sie die Inhalte ins Zentrum der Auseinandersetzungen stellen, die Anknüpfungspunkte für die SPD bieten.

Das wäre?

Die Verknüpfung von Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, die Bildungspolitik, die Innenpolitik, Demokratie und Recht.

Scherf würde vermutlich anders argumentieren und sagen: Ich brauche viel Wohnungsbau ...

In den Zeiten der Ampel-Koalition sind die Weichen dafür gestellt worden.

Die Grünen müßten nun der SPD signalisieren: Mit uns könnt ihr eine bessere Sanierungspolitik machen als mit der CDU.

Das signalisieren wir ihr seit dem Beginn der großen Koalition. Aber die SPD hat sich auf das Spiel der CDU eingelassen: Viel Geld wird auf wenige Großprojekte gesetzt, und davon erhofft man sich den Urknall.

Zum Beispiel Ocean Park.

Und Space Park. Diese Politik ist mit uns nicht zu machen. Es ist auch die Fortsetzung dessen, was Scherf als Finanzsenator in den 70er Jahren gemacht hat.

Konjunktur ankurbeln durch Schaffung neuer Stellen im Staat.

Ja, das hat zum Schuldenberg beigetragen. Bei der gegenwärtigen Investitionspolitik wird dasselbe Strickmuster versucht.

Fragen: K.W.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen