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Der Umzug der zwei Umzüge

■ Bundesbauminister Müntefering: Erhebliche Terminverzögerungen beim Regierungsumzug und höhere Kosten sind nicht zu vermeiden

Der Umzug von Regierung und Parlament nach Berlin entwickelt sich immer mehr zu einem Marsch durch die Provisorien. Für die Mehrzahl der rund 6.000 Beamten des Bundes sowie der Ministerien stehen zu Beginn der parlamentarischen Arbeit am 6. September 1999 nur Ausweichquartiere statt neuer Büros zur Verfügung. Zugleich verteuern sich einige Bauten des Bundes. Dies geht aus einem Bericht von Franz Müntefering, SPD-Bauminister und Umzugsbeauftragter der Bundesregierung hervor, den der Minister am Dienstag abend in Berlin vorstellte.

Laut Müntefering werden aus der Übersiedlung von Bonn nach Berlin „zwei Umzüge“, da Zwischenlösungen unausweichlich sind. So liege der Bau des Kanzleramtes im Spreebogen weit mehr zurück als bislang angenommen. Mit der Fertigstellung des Gebäudes, die für Anfang 2000 anvisiert war, könne „erst Ende 2000 gerechnet werden“, sagte Müntefering. Dies bedeute „eine Verschiebung im Zeitplan von einem dreiviertel Jahr“, während dessen der Kanzler im Staatsratsgebäude residieren muß. Zugleich steigen die Kosten der 400 Millionen Mark teuren Regierungszentrale um rund 40 Millionen Mark. Insgesamt, so der Minister, sei jedoch nicht damit zu rechnen, daß die Gesamtsumme des Umzugs von 20 Milliarden Mark überschritten werde.

Ebenfalls „weit hinter der Zeit“ befinden sich die Dorotheenblöcke, ein Büroensemble für die Bundestagsfraktionen und Beamten neben dem Reichstag mit 2.000 Räumen. Während die Sprecherin der Bundesbaugesellschaft Berlin (BBB), Claudia Lemhoefer, von einer Fertigstellung „im Sommer 2000“ ausgeht und Kostenerhöhungen nicht ausschließt, wird nach Angaben des Bundesbauministeriums der Bezug erst zur Jahreswende 2000/2001 zu erwarten sein.

Neuste Ausreißer im Umzugsplan bilden auch die Ministerien für Oskar Lafontaine (SPD) und Joschka Fischer (Grüne). Sowohl das Finanzministerium im einstigen Luftfahrtsamt Hermann Görings, dessen 1.800 Büroräme für rund 300 Millionen Mark saniert werden, als auch das Außenministerium im früheren Sitz des Zentralkomitees der SED, das für 545 Millionen Mark umgebaut wird, verzögern sich. „Die Baumaßnahmen liegen auch hier zurück“, sagte Müntefering. Der geplante Fertigstellungstermin 1999 sei nicht haltbar.

Grund für die Verzögerungen ist zum einen Pfusch am Bau. So mußte die Baustelle für die Dorotheenblöcke zum Teil stillgelegt werden, da die Fundamente nicht stark genug betoniert worden waren. Zum anderen, betont Lemhoefer, seien die anvisierten Fertigstellungstermine „politische Termine“ gewesen, die im Hinblick auf den Umzug zu eng kalkuliert wurden. Die neue Bundesregierung selbst hat sich mit dem Anspruch, „früher in Berlin“ sein zu wollen, unter Zugzwang gesetzt.

Für die Bundesbeamten hat der Umzugsbeauftragte Übergangsquartiere organisiert – etwa in der früheren DDR-Generalstaatsanwaltschaft, einem neobarocken Gebäude im Regierungsviertel. Weit weniger nobel geht es für die meisten Beamten zu. Die müßten erst mal, so Müntefering, „in weitaus kleineren Räumen arbeiten“ als in Bonn. Rolf Lautenschläger

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