: Waffenexporte belasten Koalition
Ein U-Boot-Geschäft mit der Türkei kann Rot-Grün nicht mehr verhindern. Anfragen für künftige Waffengeschäfte könnten für Sprengstoff sorgen ■ Aus Bonn Severin Weiland
Der Haushaltsexperte der Unionsfraktion im Bundestag, Dietrich Austermann, frohlockte. Rot- Grün haben ihren jahrelangen Widerstand gegen Rüstungsexporte aufgegeben und die Lieferung von vier U-Booten an die Türkei im Haushaltsausschuß gebilligt. Die Mitteilung, die der Abgeordnete vergangene Woche an die Medien faxte, erboste die grünen Haushaltsexperten. Denn von einer Kurskorrektur der neuen Regierung könne nicht die Rede sein. Eine Abstimmung im Haushaltsausschuß über eine Bundesbürgschaft in Höhe von 324 Millionen Mark für den Export der vier U-Boote habe es gar nicht gegeben, erklärte gestern ein Mitarbeiter des grünen Haushaltsexperten Oswald Metzger der taz. Die Bundesbürgschaft habe die alte Bundesregierung zugesichert. Die neue Koalition hätte sie nicht mehr stoppen können – selbst nicht über den Haushaltsausschuß. Man habe die Vorlage lediglich „zur Kenntnisnahme“ erhalten.
So werden also 324 Millionen Mark an Bundesbürgschaften für den Export von vier U-Booten durch die Howaldtswerke Deutsche Werft AG (HDW) bereitgestellt. Derartige finanzielle Absicherungen – auch als Hermes- Bürgschaften bekannt – dienen deutschen Firmen als Sicherheit für den Fall, daß das Auftragsgeberland in Zahlungsschwierigkeiten gerät. Der Kooperationsvertrag über die vier U-Boote wurde im vergangenen Sommer von der HDW mit dem Verteidigungsministerium in Ankara abgeschlossen. Die Übernahme der Bundesbürgschaft begründete das Bundesfinanzministerium mit dem Erhalt deutscher Arbeitsplätze. Die Türkei habe auf einem Hermeskredit bestanden, es sei aber ungewiß, ob die Bundesrepublik für den Nato-Partner Türkei am Ende überhaupt einspringen müsse.
Mag der Unionsabgeordnete Austermann sich auch zu früh über eine rot-grüne Kurskorrektur gefreut haben, das Problem, wie künftig mit Waffengeschäften umgegangen werden soll, bleibt. Denn die deutsche Rüstungsindustrie ließ vor einigen Wochen einen Testballon steigen. Dem Bundessicherheitsrat wurde eine Voranfrage zugeleitet. Darin geht es um die Lieferung von 200 Schützenpanzern an die Türkei sowie um den Bau von weiteren 1.800 Lizenzpanzern in der Türkei. Das Gremium, in dem unter anderem über Rüstungsexporte in Krisenregionen entschieden wird und dem auch Außenminister Joschka Fischer angehört, hat die Voranfrage zunächst auf Eis gelegt. Doch damit ist das Thema noch nicht vom Tisch. Möglicherweise, so heißt es aus Regierungskreisen, wird die Panzerlieferung auf der nächsten Sitzung des Bundessicherheitsrats erneut beraten.
Das Thema der Waffengeschäfte wird in Bonn als höchst sensibel eingestuft. Im Koalitionsvertrag hatten SPD und Grüne festgehalten, daß bei „Rüstungsexportentscheidungen der Menschenrechtsstatus möglicher Empfängerländer als zusätzliches Entscheidungskriterium eingeführt“ wird. Teile des linken Flügels der SPD, hier vertreten durch die dem Bundessicherheitsrat angehörende Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, drängen auf eine sorgfältige Prüfung jedes Einzelfalls. Die Bündnisgrünen wiederum gaben am vergangenen Wochenende auf dem Erfurter Parteitag Joschka Fischer einen programmatischen Grundsatz mit auf den Weg. In einem Antrag zur Türkeipolitik wurde festgehalten, daß sich die Grünen weiterhin an „Menschenrechten und einer friedlichen Lösung des Kurdenkonfliktes“ orientieren. Man setze sich dafür ein, so die indirekte Forderung an den Außenminister, künftig keine Waffen und andere Rüstungsgüter an die Türkei zu liefern. In ihrem Entschließungsantrag äußerten die Grünen auch ihr Unverständnis darüber, daß kürzlich das Auswärtige Amt in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der PDS den Einsatz deutscher Waffen in der Osttürkei verneint hatte. Diese Antwort war ganz im Tenor der früheren Bundesregierung gehalten. Außenminister Fischer, so heißt es in Bonn, war über die Formulierung der Auskunft verärgert. Dafür verantwortlich zeichnete ein verbeamteter Staatssekretär – der hatte bereits unter Außenminister Klaus Kinkel gedient.
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