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Sehnsucht nach der besseren Hälfte

Im Vorwahlkampf der USA ragen zwei Frauen heraus: Elizabeth Dole und Hillary Clinton. Beide haben weder Chancen noch Ahnung. Ihr Aufstieg gründet auf dem Traum vom Gutmenschen    ■ Aus Washington Peter Tautfest

Die USA befinden sich im Wahlkampf. Zwar finden die nächsten nationalen Wahlen erst im November 2000 statt, und selbst die Vorwahlen, bei denen die Kandidaten ausgewählt werden, sind noch fast 12 Monate hin, aber jetzt schon machen die Kandidaten für das „Rennen 2000“ von sich reden.

George Bush Junior, derzeit Gouverneur von Texas und Geheimtip der Republikaner, hat diese Woche ein sogenanntes „Erkundungskomitee“ gebildet, das seine Chancen als Präsidentschaftskandidat der Republikaner ausloten soll. Vergleichbare Luftballons haben schon Elizabeth Dole, Ehefrau des letzten republikanischen Präsidentschaftsanwärters Bob Dole, sowie Dan Quayle, ehemaliger Vizepräsident unter George Bush, gestartet. Ihre Absicht zu kandidieren haben auf republikanischer Seite unter anderem noch der Rechtsaußen Pat Buchanan, der Verleger Steve Forbes sowie der Abgeordnete John Kasich angekündigt. Bei den Demokraten sieht es einfacher aus. Gegen den amtierenden Vizepräsidenten Al Gore tritt nur der ehemalige Senator von New Jersey, Bill Bradley, an.

Daß die USA sich auf einen fast zweijährigen Dauerwahlkampf einstellen müssen, hat zwei Gründe. Zum einen bewahrheitet sich, daß Amerikas Bürger ihre Politik „ausschließlich im Medium eines permanenten Wettlaufs um die Macht erleben“, wie der Medienkritiker und zeitweilige Chefredakteur der Zeitschrift US World & News Report, James Fallows, 1996 schrieb. Zum anderen finden die meisten Vorwahlen nächstes Jahr sehr viel früher statt als sonst. Schon im März 2000 wird entschieden sein, was heute schon jeder zu wissen glaubt: nämlich daß Bush gegen Gore antreten wird. Weil man aber für einen Vorwahlkampf ca. 40 Millionen Dollar braucht, müssen dieses Jahr schon die Wahlkampfspenden eingetrieben werden. Darum schon heute der Rummel um die Kandidaten.

In diesem sinnentleerten Spiel um Geld und Startpositionen ragen zwei Kandidaturen hervor. Hillary Clinton, derzeit noch First Lady, wird gedrängt, als Kandidaten um einen der beiden Senatssitze des Bundesstaats New York anzutreten. Und Elizabeth Dole liegt als Anwärterin auf die republikanische Präsidentschaftskandidatur in Meinungsumfragen derzeit noch hinter Bush Junior, aber vor allen anderen.

Das Besondere daran ist nicht nur, daß Frauen sich um höchste Wahlämter bewerben. Die momentane Begeisterung für Hillary Clinton und Elizabeth Dole ist einer dieser seltsamen Fieberschauer, die Amerikas politischen Körper periodisch erfassen. Es ist, als müsse nur ein guter Mensch mit brillanten Ideen daherkommen, um das Gemeinwesen aus den Niederungen parteipolitischer Grabenkriege herauszuführen. Als würden Politiker ihrer noblen Gesinnung oder ihrer schönen blauen Augen wegen gewählt.

Der gleichen Dynamik folgten in den letzten Wahlkämpfen die kurzlebigen Spekulationen auf Präsidentschaftskandidaturen von Colin Powell, ehemaliger Generalstabschef, und Norman Schwarzkopf, der Feldherr des „Desert Storm“. Solche Hoffnungen folgen allemal dem „Mr. Smith Goes to Washington“-Syndrom (Spielfilm 1939 mit James Stewart in der Hauptrolle), wonach nur eine reine Seele in Washington auftauchen muß, um den Augiasstall von Parteipolitik und Korruption auszukehren.

Keine der beiden Frauen hat Aussicht darauf, gewählt zu werden. Als Politiker fängt man in den USA – nicht anders als in Deutschland – als Gemeinderat oder Gewerkschaftler, als Kreisvorsteher oder Wahlbeamter auf lokaler Ebene an. Selbst Ronald Reagan war einmal Gewerkschaftsfunktionär. Hillary Clinton und Elizabeth Dole aber haben noch nie eine Wahl gewonnen, noch nie Klinken geputzt, sich noch nie mit den Interessen kleiner Leute und großer Industrien beschäftigt. Sie – und nicht nur sie – mißverstehen Politik als die Umsetzung von Idealen.

Hillary Clintons gescheiterte Gesundheitsreform ist das beste Beispiel dafür, daß sie von Politik als Interessenausgleich keine Ahnung hat. Um Senatorin von New York zu werden, müßte sie die Interessen von Leuten in Orten wie Salamanca, Cattaraugus, New Albion, Otto, Gowanda vertreten – Orte, von denen sie sicher noch nie etwas gehört hat. Sie müßte die Nutzungskonflikte um das Adirondak-Gebirge und den Streit um die Wasserressourcen im Bundesstaat New York verstehen. Von all dem hat sie keine Ahnung.

Die Prominenz, die derzeit Ehefrauen von Politikern erlangen, drückt das Bedürfnis nach der besseren Hälfte von Politik aus, in der es um Inhalte und nicht nur um Macht ginge. Dieser Sehnsucht, die Bände über die politische Wirklichkeit Amerikas spricht, erliegen sogar politisch erfahrene Frauen wie Hillary Clinton oder Elizabeth Dole.

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