piwik no script img

Trittin blockiert Autorecycling

Ausgerechnet der grüne Umweltminister verschleppt auf Kanzler Schröders Geheiß die Umsetzung der Altautorichtlinie im EU-Umweltministerrat  ■ Aus Brüssel Peter Sennekamp

Der Kanzler aller Autos hat gesprochen. Und ausgerechnet Bundesumweltminister Jürgen Trittin erhielt anschließend die Weisung, des Kanzlers Befehl auszuführen: Der Grüne mußte die deutsche Weigerung übermitteln, die europäische Altautoverordnung wie geplant vom Umweltrat abzusegenen. Dabei hatte Trittin zu Beginn der Ratspräsidentschaft noch getönt, Deutschland werde beim Umweltschutz Tempo machen.

Entsprechend erntete er gestern vernichtende Kritik. Von „total unverständlich“ bis „im Ergebnis hat der vorige, konservative Ratsvorsitzende aus Österreich mehr für die Umwelt erreicht“ lauteten die Kommentare in Brüssel. Trittin konnte die Richtlinie, mit der nicht nur Neufahrzeuge, sondern auch bereits zugelassene Autos zukünftig auf Kosten des Herstellers wieder zerlegt und recycelt werden sollten, zwar nicht kippen, aber bis Ende Juni verschleppen. Darum wird voraussichtlich ein Vermittlungsverfahren mit dem Europaparlament unausweichlich. Erst im Jahr 2000 hat die EU-Kommission nun Chancen, die umweltfreundliche Auto-Richtlinie abzuschließen. Etwas Zeit also für die Autoindustrie, noch eine Weile ohne die verhaßte Brüsseler Richtlinie zu leben und Geld für die Verschrottung zu sparen.

Ganz offensichtlich hat der VW-Konzern dem Kanzler die Linie vorgegeben. Denn zuvor hatte VW-Chef Ferdinand Piäch an Gerhard Schröder schriftlich gegen die kurz vor dem Abschluß stehende EU-Richtlinie interveniert. Hinter den „gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen“, die Piäch in seinen Schreiben als Dachverbandspräsident der Autoindustrie (ACEA) androhte, lassen sich ganz offen betriebswirtschaftliche Lasten für den VW-Konzern herauslesen. Denn die Kommission wollte durchsetzen, daß die Hersteller aller 150 Millionen europäischen Autos am Ende die Verschrottung zahlen müssen. Für mehr als 29 Millionen Fahrzeuge hätte allein VW aufkommen müssen.

Bis zur erneuten Debatte im Umweltrat im Juni werden die Autoproduzenten nun versuchen, zahlreiche industriefreudliche Änderungen in den Kommissionsvorschlag einzubauen. Ob ihnen das gelingt, ist unklar, denn der Ministerrat entschied gestern, die Vorlage nicht mehr zu ändern. Dafür stimmte immerhin eine Mehrheit von 13 Ministern. Allein Großbritannien votiert im Interesse Schröders.

Trittin habe den Brüssler Umweltrat am Donnerstag „professionell geführt“, es sei auch durchaus üblich, daß Entscheidungen vertagt würden, ist von deutscher Seite zu hören. Kommissionsvertreter sehen das freilich anders. Sie sind auch sauer, daß Trittin bereits vor Ende der wichtigen Sitzung zurück nach Bonn reiste, offiziell wegen Lafontaines Rücktritt. Tatsächlich habe sein Aufbruch dagegen bereits früher festgestanden. „Seine Körpersprache war eindeutig, Schröder hatte ihm die Linie diktiert, die er nicht vertreten wollte,“, so ein Verhandlungsteilnehmer im Umweltrat.

Die EU-Kommission erklärte dazu gestern offiziell, „die Diskussion im Rat war ziemlich peinlich, und es wurde klar, daß schwerer Druck der Industrie zu diesem Ergebnis führte“. Umweltkommissarin Ritt Bjerregarrd wertete Trittins und damit Schröders Intervention als „sehr schwer zu verstehen“. Mit den Energiekonsensgesprächen und dem Treffen der rot- grünen Koalitionsspitze begründete hingegen Trittins Sprecher, Michael Schroeren, den frühzeitigen Aufbruch des ratsvorsitzenden Ministers. Schroeren erklärte gegenüber der taz weiter, Trittin werde im Juni auf die Abstimmung der Altautorichtlinie drängen. Ursache für die VW-Intervention sei die vom Europaparlament im Dezember verlangte schärfere Regel, nach der die Verwertung früher als ursprünglich geplant, bereits 2003 in Kraft treten solle. Doch inzwischen werfen Kommissionsvertreter den Deutschen ganz offen „mangelndes Umweltinteresse“ vor, wichtige Entscheidungen würden schlicht verschleppt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen