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Ehemaliger KZ-Kommandant hat reines Gewissen

■ Seit gestern steht der Ex-Kommandant des Konzentrationslagers Jasenovac, Dinko Sakic, in Zagreb vor Gericht. Unter seiner Leitung sollen 2.000 Menschen zu Tode gekommen sein

Zagreb (taz) – Mit ernster Miene folgte Dinko Sakic, ehemaliger Kommandant des kroatischen Konzentrationslagers Jasenovac im Jahre 1944, gestern der Verlesung der Anklageschrift. Sakic, der den ersten Verhandlungstermin vor zwei Wochen noch wegen angeblicher gesundheitlicher Probleme platzen ließ, machte einen frischen und erholten Eindruck. Der erst im letzten Jahr in Argentinien ausfindig gemachte und nach Kroatien ausgelieferte Angeklagte wird beschuldigt, während des Zweiten Weltkriegs als Kommandant des Konzentrationslagers Jasenovac für den Tod von 2.000 Menschen – Serben, Roma, Juden und kroatische Widerstandskämpfer – verantwortlich zu sein. In einer ersten Stellungnahme erklärte sich der Angeklagte für nicht schuldig. „Mein Gewissen ist rein“, sagte Sakic. Er wird vor dem Distriktgericht in Zagreb einen fairen Prozeß erhalten – davon gehen die Beobachter aus. 189 Journalisten sind für den zweimonatigen Prozeß akkreditiert. 26 Zeugen sind in der Anklageschrift namentlich genannt, andere werden noch hinzugezogen, Zeugen aus Serbien fürchten sich , nach Kroatien zu kommen.

Staatsanwalt Radovan Santek erklärte, die Beweislage reiche aus, um zu einer Verurteilung zu kommen. Der 1921 in Studenci bei Ljubuski in der Westherzegowina geborene Dinko Sakic wurde am 18. Februar 1942 Mitglied des Sicherheitsdienstes der Ustascha. Bald schon wurde er stellvertretender Kommandant der Konzentrationslager Stara Gradiska und Jasenovac. Von April bis November 1944 war er verantwortlicher Kommandant des Lagers Jasenovac. Während des Bestehens des Konzentrationslagers 1941–45, so eine in der Anklageschrift zitierte Forschungsarbeit von Vladimir Zerjavic von 1986, starben 49.874 Menschen, wobei eingeräumt wird, daß diese Zahl um 25 bis 35 Prozent höher liegen könnte.

Keine Reaktion zeigte Sakic, als der Staatsanwalt erklärte, 4.093 Personen seien 1944 in Jasenovac verschwunden oder ermordet worden. Von April bis November 1944 sei die Zahl auf 2.000 anzusetzen. Die meisten Zeugen sind in der Lage, Auskunft über den Tod vieler Menschen zu geben. So Simo Klaic, der als KP-Mitglied zu Zwangsarbeit verurteilt war und beschreiben kann, wie Gefangene exekutiert wurden. Nach seinen Angaben sind in dem Lager Stara Gradiska schon 1942 Kinder vergast worden.

Zeugnis darüber kann auch die damals 10jährige Mirjana Radman ablegen, die im Juli 1942 mit anderen Kindern nach Jasenovac verschleppt worden war. Nach dem Nachweis ihrer kroatischen Herkunft wurde sie Monate später wieder freigelassen, die anderen Kindern blieben aber verschollen.

Nach Angaben von Jakov Finci, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Sarajevo, wurden die Gefangenen unter schwierigsten Bedingungen zur Zwangsarbeit herangezogen, viele starben an Unterernährung. Am 23. September 1944. wurde Finci mit anderen Gefangenen von Stara Gradiska nach Jasenovac verlegt, die serbischen Gefangenen des Lagers wurden damals exekutiert.

In Jasenovac habe es an allem gefehlt, auch an Wasser, das Essen sei extrem schlecht gewesen, erklärte Finci in den Voruntersuchungen. Andere Zeugen berichten über die Ermordung von kranken und schwachen Gefangenen, um für neue Gefangene Platz zu schaffen. So sei die Zahl der Gefangenen um die 3.000 konstant geblieben. Frauen wurden laut Anklageschrift auf Schiffen ermordet und in den Sava-Fluß geworfen. Erich Rathfelder

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