320 Vorfälle beim Bund

■ Jahresbericht der Wehrbeauftragten: Rechtsextremismus hat 1998 zugenommen

Bonn (taz) – Im vergangenen Jahr wurden in der Bundeswehr mehr als 320 Fälle mit rechtsextremistischen oder fremdenfeindlichen Hintergrund gemeldet. Dies geht aus dem Bericht der Wehrbeauftragten des Bundestags hervor, der gestern in Bonn vorgestellt wurde. 200 davon wertete die Wehrbeauftragte Claire Marienfeld als „akute Verdachtsfälle“. Überwiegend handle es sich um „Propagandadelikte“, also rechtsextremistische Grußformen und Parolen, Verwendung rechtsextremistischer Symbole und fremdenfeindliches Verhalten.

Die große Zahl der Meldungen führte Marienfeld auch darauf zurück, daß nach den ersten Vorfällen 1997 die Führung der Streitkräfte zu erhöhter Wachsamkeit in der Truppe aufgerufen habe. Wegen der gestiegenen Sensibilisierung der Soldaten könne nicht von einer besorgniserregenden Entwicklung gesprochen werden. Dem Bericht der Wehrbeauftragten zufolge konzentriert sich das Problem rechtsextremer Vorfälle vor allem auf junge Soldaten. 85 Prozent aller Fälle mit rechtsextremen oder fremdenfeindlichen Hintergrund wurden von Wehrpflichtigen begangen. Den geringeren Teil der Vorkommnisse betraf die Führung der Truppe: 20 Unteroffiziere und vier Offiziere stehen laut Bericht im Verdacht, „rechtsextremistische Verhaltensweisen an den Tag gelegt zu haben“.

In der gestrigen Pressekonferenz plädierte Marienfeld ausdrücklich für die Beibehaltung der Wehrpflicht. Eine reine Berufsarmee ziehe einen „anderen Menschentypus“ an, so die CDU-Politikerin. Die Wehrpflichtigen übten die „direkte Kontrolle über die Streitkräfte aus, in dem sie zu Hause erzählen, was sie erleben“. Indirekte Kritik an der Amtsführung des früheren Verteidigungsministers Volker Rühe war aus den Worten Marienfelds über die Stimmungslage der Bundeswehr herauszuhören. Sie freue sich, daß der neue Verteidigungsminister Scharping die Bundeswehr aufgefordert habe, aus ihrer Sprachlosigkeit herauszukommen – auch wenn sie eine „eindeutige Verbesserung“ bislang noch nicht festgestellt habe. In den letzten Amtsmonaten von Rühe war über den autoritären Führungsstil auf der Bonner Hardthöhe geklagt worden.

Für die künftigen Aufgaben der Bundeswehr bei internationalen Einsätzen plädierte Marienfeld für eine Ausbildung mit Augemmaß. Es sei zwar verständlich, daß die Truppen für Kriseneinsätze besonders auf die Belastungen vorbereitet werden müßten. Zugleich beklagte sie aber eine „überzogene Härte in der Ausbildung“. Schwierigkeiten hat die Bundeswehr, die mit Freiwilligen operierenden Einheiten der Krisenreaktionsstreitkräfte personell auszustatten. 1998, so der Wehrbericht, konnten 25 Prozent aller Stellen nicht besetzt werden. Severin Weiland