„Wir vernachlässigen das Ökonomische“

■ Kein Frieden im Kongo: EU-Sonderbeauftragter Aldo Ajello erklärt, warum die Friedensverhandlungen für die Demokratische Republik Kongo regelmäßig scheitern

Der italienische Jurist Aldo Ajello ist seit 1996 EU-Sonderbeauftragter für das „Afrika der Großen Seen“ und versucht derzeit, Friedensverhandlungen für die Demokratische Republik Kongo zu befördern. Ende Februar reiste er dafür erneut durch Afrika. Seitdem sind die Kämpfe im Kongo neu aufgeflammt. Derzeit behaupten die Rebellen und die auf seiten des Präsidenten Kabila kämpfenden Truppen aus Simbabwe, sich gegenseitig schwere Verluste zugefügt zu haben.

taz: Wie bewerten Sie die Situation im Kongo nach Ihrer jüngsten Vermittlungsreise?

Aldo Ajello: Wir haben noch viel Arbeit vor uns. Es gibt wichtige Meinungsverschiedenheiten und eine Reihe von Blockaden, sogar auf formalem Niveau. Es gibt das Problem der Beteiligung der Rebellen an der Aushandlung und Unterzeichnung eines Waffenstillstandsabkommens. Es gibt das Problem des inneren Dialogs im Kongo zwischen Präsident Kabila und der gesamten Opposition, die Rebellen eingeschlossen. Wer wird diesen Dialog leiten? Und es gibt das Problem der Sicherheit an den Grenzen. Das führt uns zum Kernproblem der ruandischen Hutu-Milizen, die in dem Gebiet aktiv sind. Was soll mit ihnen geschehen? Wie können sie neutralisiert und entwaffnet werden und so angesiedelt werden, daß sie ihrem Land nicht mehr schaden? Alle diese Probleme sind noch weit davon entfernt, gelöst zu werden.

Es gibt immer wieder Verhandlungen über diese Fragen. Warum gibt es keine Lösung?

Jedesmal hat man den Eindruck, einen kleinen Schritt vorangekommen zu sein. Aber wenn man nachfragt, gibt jeder Teilnehmer an den Gesprächen eine völlig unterschiedliche Version dessen wieder, worauf man sich grundsätzlich geeinigt hat. Die Situation ist sehr kompliziert, weil im Kongo mehrere Kriege geführt werden: Ein ruandisch-ruandischer Krieg, ein ugandisch-ugandischer, ein angolanisch-angolanischer. Der Kongo hat keine eigene Armee. Er muß sich von anderen verteidigen lassen, und damit öffnet er sich allen möglichen Problemen.

Gibt es nicht auch ein wirtschaftliches Problem, daß die Kriegsparteien von ihrer Beute nicht lassen wollen?

Das ist ein sehr sensibler und wichtiger Punkt. Wir tendieren alle dazu, das Problem von der Politik aus zu betrachten und das Ökonomische zu vernachlässigen. Der Kongo ist sehr reich und zieht Begierden an, auf beiden Seiten. Je länger der Krieg andauert, desto mehr konsolidieren sich diese Interessen, was eine Lösung des Problems erschwert. Es scheinen sich eine Reihe von Schmugglern in der Region festgesetzt zu haben. Die multinationalen Firmen, die früher präsent waren, hielten sich an gewisse Regeln, aber hier geht es um Gruppen, die keine Regel respektieren und sehr gefährlich sind. Wir haben das Gefühl, daß wir tagsüber arbeiten und nachts jemand in die andere Richtung arbeitet. Interview: Pierre-Olivier Richard