Schluß mit dem Tango ums Kosovo

■ Kosovo-Albaner haben gestern abend einseitig das Friedensabkommen unterzeichnet. Belgrad bekommt letzte Frist bis Mittwoch zur Unterschrift, sagen Diplomaten. Danach drohen Nato-Luftangriffe. Im Kosovo weiter Kämpfe

Paris (taz) – „Zum Tango-Tanzen braucht es zwei“. Mit diesem Satz hatte noch bis gestern der russische Unterhändler Majakowski die Fortsetzung der Kosovo-Verhandlungen beschwören wollen — trotz der unnachgiebigen Haltung der Serben. Vorbei. Gestern abend hat die Delegation der Kosovo-Albaner einseitig das Kosovo-Friedensabkommen unterzeichnet. Die serbische Delegation blieb bei ihrer Haltung. Die Kosovo-Albaner kündigten an, nach der Unterzeichnung abzureisen. In Paris wird nicht mehr verhandelt. In der Nacht wollten die beiden Schirmherren der Verhandlungen, der französische Außenminister Hubert Védrine und der britische Außenminister Robin Cook, über das weitere Verfahren entscheiden. Nach Angaben von Diplomaten werden sie wahrscheinlich Belgrad eine letzte Frist bis Mittwoch zur Unterzeichnung des Abkommens setzen. Falls die serbische Seite nicht unterschreibt, drohen Luftangriffe der Nato auf Serbien.

Die politische und militärische Eskalation des Kosovo-Konflikts war gestern nachmittag zunächst wichtigstes Thema gemeinsamer Beratungen der Außen- und Verteidigungsminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens in Bonn gewesen. Anschließend wollten Védrine und Cook in Paris mit dem dreiköpfigen Vermittlerteam der Konferenz zusammentreffen und dessen Empfehlungen für das weitere Vorgehen entgegennehmen.

Die in den letzten Wochen vom Westen mühsam kaschierten Differenzen zwischen Rußland und den fünf Nato-Mitgliedern der Balkan-Kontaktgruppe (USA, Frankreich, Großbritannien, Italien und Deutschland) sind inzwischen deutlich hervorgetreten. Gestern nachmittag forderte Rußlands Außenminister Iwan Iwanow die Regierung Milošević in einer Erklärung lediglich dazu auf, „den politischen Teil“ des Autonomieplans zu unterzeichnen. Damit hat Moskau — wie sich bereits letzte Woche andeutete — den bislang vom Westen behaupteten Konsens der Balkan-Kontaktgruppe, wonach der politische Teil und der militärische Annex des Autonomieplans ein „unauflösbares Paket“ seien, aufgekündigt.

Falls Milošević tatsächlich eine letzte Bedenkzeit gegeben wird, werden Védrine, Cook oder auch die Außenminister oder Unterhändler der anderen vier Kontaktgruppenstaaten möglicherweise in den nächsten Tagen noch einmal zu Gesprächen nach Belgrad reisen. Zeigt Milošević keine Bereitschaft zum Einlenken, wird die Nato mit den Vorbereitungen für die seit Oktober 1998 angedrohten Luftangriffe auf militärische Ziele in Serbien beginnen – um der eigenen Glaubwürdigkeit willen und trotz aller erheblichen Zweifel auch innerhalb des Bündnisses am politischen Nutzen und der völkerrechtlichen Zulässigkeit von Luftangriffen. Allerdings sagte gestern nachmittag der Sprecher des US-Außenministeriums, James Rubin, ein Militäreinsatz gegen Serbien könne nicht das Ziel der internationalen Gemeinschaft sein. Andererseits dürfe Belgrads Verweigerung der Unterschrift nicht ohne Folgen bleiben.

Nach Angaben von Nato-Planern in der Brüsseler Zentrale wäre mit ersten Luftangriffen frühestens am übernächsten Wochenende zu rechnen, da zuvor noch die 1.200 Beobachter der OSZE aus dem Kosovo und der Großteil der amerikanischen, britischen und anderen westlichen Botschaftsangehörigen aus Belgrad abgezogen werden sollen. Ziel einer ersten Runde von Luftangriffen auf militärische Ziele wäre, Milošević doch noch zum Einlenken zu bewegen.

Geht dieses Kalkül nicht auf, müßte die Nato gemäß ihrer eigenen Logik zu weiteren Maßnahmen greifen. Was das Bündnis tut, wenn es keine militärischen Ziele für Luftangriffe mehr gibt, weiß in der Brüsseler Nato-Zentrale niemand zu beantworten.

Im Kosovo gingen gestern die heftigen Kämpfe weiter, wie Agenturen ergänzend melden. Hunderte von Zivilisten seien auf der Flucht, bestätigten Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die jugoslawische Armee erklärte, sie würde im Falle eines Nato-Angriffs sofort mit der kosovo- albanischen Untergrundarmee UÇK „abrechnen“. Jeder Nato-Angriff aus der Luft oder zu Lande werde „das Signal“ für die Vernichtung der 8.000 bis 10.000 „Terroristen“ sein. Andreas Zumach