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Von Mobbing bis Liebe

80 Prozent der Homosexuellen fühlten sich im Job schon mal diskriminiert. Ein Kongreß beleuchtet ihre Situation in der Arbeitswelt  ■ Von Judith Weber

Jammern alleine zieht nicht mehr. „Schwule und Lesben können nicht immer nur fordern: Macht es uns leichter, uns zu unserer sexuellen Identität zu bekennen“, sagt Matthias Weikert. „Irgendwann muß sich jeder entscheiden, dazu zu stehen oder nicht.“ Der Hamburger, der im Vorstand des „Verbands lesbischer Psychologinnen und schwuler Psychologen“ (VLSP) sitzt, wählt klare Worte. Damit sie jedoch gelten können, müssen Homosexuelle sich im Privat- und im Arbeitsleben akzeptiert fühlen oder zumindest wissen, wie sie sich gegen Diskriminierung wehren können, betont Weikert. „Die Umstände müssen stimmen.“

Eine Bestandsaufnahme dieser Umstände versucht sein Verband an diesem Wochenende. Zusammen mit verschiedenen Gewerkschaften haben die PsychologInnen einen Kongreß zum Thema „Schwule und Lesben in der Arbeitswelt“ organisiert. Gut 150 TeilnehmerInnen werden im DGB-Haus am Besenbinderhof erwartet; die ersten von ihnen wurden schon gestern abend von Hamburgs Gleichstellungssenatorin Krista Sager (GAL) begrüßt.

Auf der Zwei-Tagesordnung stehen unter anderem Workshops und Vorträge zu HIV-Infizierten und Aidskranken im Beruf, zu Arbeitsrecht und Mobbing (siehe Interview). Eine Beratungs-Gruppe für Paare befaßt sich mit den Auswirkungen, die Diskriminierungen im Büro auf lesbische oder schwule Liebesbeziehungen haben können.

Rund 80 Prozent der Homosexuellen fühlten sich in ihrem Job schon einmal belästigt oder erniedrigt, haben Forscher der Münchener Universität 1997 herausgefunden. Mal reicht ein schaler Witz, um ein mulmiges Gefühl auszulösen; mal kommt es zu Pöbeleien oder körperlichen Angriffen. „Man braucht einen langen Atem, um sinnvoll gegen so etwas anzugehen“, weiß Martin Stauper aus zehn Jahren Erfahrung im Arbeitskreis Homosexualität der Hamburger ÖTV. „Es gilt, die Randbedingungen zu verändern, etwa durch Antidiskriminierungsrege-lungen in Betriebsvereinbarungen.“

Solche Maßnahmen nützen auch den Unternehmen, weiß VLSP-Sprecherin Jutta Schepers: „Ein diskriminierungsfreies Klima fördert nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch die Arbeitsleistung von Lesben und Schwulen.“

Alltägliche Schwierigkeiten lassen sich zwar oft unbürokratisch beseitigen. Aber eine Menge Mut gehört schon dazu, wenn eine lesbische Frau in der Kantine vom Wochenende mit ihrer Liebsten erzählt. Oder wenn ein schwuler Mann seinen Chef bittet, zum nächsten Betriebsfest doch seinen Partner statt der Ehefrau einzuladen.

Heute, 10 Uhr: Vortrag über gewerkschaftliche Positionen und Aktivitäten. 12 Uhr: Vortrag über HIV und Aids im Job, Paarberatungs-Workshop Teil I (Teil II ab 14.45 Uhr) und Workshop „Wie beschreiben Lesben Schwule“. 14.45 Uhr: Workshop „Schwule haben keine sexuellen Probleme! Wieso eigentlich nicht?“ 16.45 Uhr: Workshops „Faire Behandlung bei der Arbeit“, „Total normal, total tabu – von der Polizei bis zur Oper“ und „Ab morgen integrieren wir uns“. Morgen, 10 Uhr: Vortrag „Bekämpfung von Homophobie am Arbeitsplatz“. 12.20 Uhr: Podiumsdebatte „Wie sieht die Zukunft von Schwulen und Lesben in der Arbeitswelt aus?“ Alles im DGB-Haus, Besenbinderhof 57a

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