Press-Schlag: Solange Poster hängen
■ Nach Schmitts Weltcup-Sieg ist die Frage: Wird Skispringen den Sommer überstehen?
Er nahm den Erfolg so gelangweilt hin, wie es Menschen eigen wird, die oft gewinnen. Als am Sonntag in Planica mit dem letzten Sprung des Jahres die Entscheidung gefallen war, ließ sich Martin Schmitt nicht zum Spontanjubel hinreißen. Fast geschäftsmäßig nahm er zur Kenntnis, daß er mit seinem dritten Platz als zweiter Deutscher nach Jens Weißflog 1984 den Gesamtweltcup gewann. Den Tagessieg holte sich der Japaner Noriaki Kasai vor seinem Landsmann Miyahira.
Schmitt (21) hat in dieser Saison nicht nur den Gesamtweltcup und zwei Weltmeistertitel gewonnen, zehn Weltcupsiege geholt, was zuvor nur Andreas Goldberger und Matti Nykänen
geschaft hatten, und zwischenzeitlich auch noch den Skiflug- Weltrekord gehalten, er hat seinem Sport vor allem eine neue Qualität gebracht: Popappeal. Als Stammgast in Teenie-Magazinen hat er dem Skispringen ein ganz neues Publikum erschlossen. Die Frage ist nun: Werden die Bravo-Poster auch noch im August in den Kinderzimmern der Republik hängen?
Bundestrainer Reinhard Heß hat die Erfolge seines Zöglings zum Saisonausklang mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, weil man so bewiesen habe, „Gott sei Dank keine Zufallserscheinung“ zu sein. Schmitts Etablierung aufs höchstem Niveau dürfte allerdings die Grundvoraussetzung sein, damit das Skispringen sein momentanes Quotenhoch auch im kommenden Winter wird beibehalten können. Zwar verortet Heß seinen Musterschüler bereits „in einer Reihe mit den ganze Großen“, aber bisher steht gerade mal eine einzige Saison mit konstant herausragenden Leistungen zu Buche.
Daß Schmitt in diesem Sommer, wie das in der Branche heißt, „abheben“ könnte, wird aufgrund seiner trocken-rotzigen Art allseits zwar nicht geglaubt, aber nichtdestotrotz befürchtet. Schließlich ist man sich im klaren, daß man mit Sven Hannawald, dem langsam alternden Dieter Thoma und dem in Planica überraschend starken
Christoph Duffner zwar eine solide Mannschaft, aber keinen weiteren potientiellen Siegspringer besitzt. Jedenfalls keinen, der niedlich genug aussieht, auch RTL, dem TV-Rechte-Inhaber ab 2000, das Interesse der frisch gewonnenen, jugendlichen Seherschar zu erhalten.
„Man merkt die Müdigkeit“, sagte Schmitt gestern. Weil niemanden Mattenspringen interessieren, das Interesse den Sommer über aber trotzdem nicht zu sehr erlahmen darf, weiß er, was ihm in den nächsten Monaten blühen wird: „Ein paar Termine kommen jetzt schon“, sagte er nach dem gestrigen Erfolg und lächelte dann doch noch so, als würde er sich freuen. to
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