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Staatsanwaltschaft hüllt sich in Schweigen

■ Korruptionsverdacht im Berliner Landeskriminalamt: Seit der Festnahme von vier Beamten herrscht Verunsicherung, weil ein Racheakt rumänischer Banden für möglich gehalten wird

Die Stimmung im Berliner Landeskriminalamt (LKA) ist alles andere als auf dem Siedepunkt. Anfang vergangener Woche wurden vier Beamte des Raubreferats wegen Korruptionsverdachts festgenommen. Der Vorwurf: Sie sollen Bestechungsgelder von rumänischen Banden angenommen haben, nachdem sie zuvor Tips für Einbrüche und Informationen über Polizeiinterna gegeben hätten. Gegen einen 42jährigen Kriminaloberkommissar und gegen einen 58jährigen Kriminalhauptkommissar wurde Haftbefehl erlassen. Der Ältere sitzt seither in Untersuchungshaft, der jüngere wurde gegen Meldeauflagen und Kaution verschont. Die übrigen beiden wurden bis auf weiteres vom Dienst suspendiert.

Am Tag der Festnahme bekundeten der Berliner Polizeipräsident Hagen Saberschinsky und der Generalstaatsanwalt beim Landgericht, Hans-Jürgen Karge, in einer gemeinsamen Presseerklärung große Betroffenheit darüber, daß „nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen Grund zu der Annahme besteht, daß ausgerechnet Beamte von Strafverfolgungsbehörden Straftätern Tips gegeben haben“. Gleichzeitig stellten sie aber „mit Befriedigung“ fest, „daß bei entsprechenden Verdachtsfällen ohne Ansehen der Person oder der Amtsstellung ermittelt wird“.

Im Landeskriminalamt nahm man jedoch mit Verwunderung zur Kenntnis, wie weit sich Saberschinsky und Karge aus dem Fenster lehnten. Denn die Erklärung liest sich so, als sei die Schuld der Beamten nahezu erwiesen. Nach allem, was in der Zwischenzeit bekannt wurde, scheint die Beweislage allerdings auf sehr wackligen Füßen zu stehen. So wackelig, daß man in Polizeikreisen von einer „Räuberpistole“ spricht. Wie die taz aus der Behörde erfuhr, werden die Vorwürfe von den vier Beamten bestritten. Einziger Belastungszeuge soll ein zu der Bande des Chefs Vasile B. gehörender Rumäne sein. Jener habe seine Kenntnisse über die angeblichen Straftaten der Beamten aber „nur vom Hörensagen“, heißt es. Vasile B. ist vor einigen Jahren in Berlin und Brandenburg zu insgesamt 28 Jahren Haft verurteilt worden. Der in U-Haft sitzende 58jährige Kripobeamte Manfred F. sei als damaliger Ermittlungsführer maßgeblich daran beteiligt gewesen, den Bandenchef dingfest zu machen. Nach seiner Festnahme soll aus dem Umfeld des Bandenchefs die Drohung laut geworden sein: „Das wird die Polizei noch büßen.“

In der Justiz herrscht, was die Korruptionsaffäre angeht, absolute Nachrichtensperre. „Wir geben keine Erklärung zum Stand der Ermittlungen ab“, sagt die zuständige Justizsprecherin. Auch im parlamentarischen Innenausschuß bemühten sich die Abgeordneten gestern vergebens, Licht ins Dunkel zu bringen. Polizeipräsident Saberschinsky verwies darauf, daß er zum genauen Stand des Verfahrens nichts sagen könne und dürfe, weil die Staatsanwaltschaft Herrin des Verfahrens sei. „Für mich ist nicht absehbar, wie das Ganze ausgehen wird“, gab er sich aber wesentlich vorsichtiger als Anfang vergangener Woche.

Den grünen Innenpolitiker Wolfgang Wieland beschleichen ungute Erinnerungen an den Fall des Berliner Polizeidirektors Otto D. Der war im vergangenen Jahr in einem anonymen Schreiben bezichtigt worden, Mitglied der Scientology-Sekte zu sein. Nachdem D. monatelang vom Dienst suspendiert worden war, hatte sich herausgestellt, daß er zu Unrecht bezichtigt worden war. Einzige Quelle dafür war ein V-Mann gewesen. Darauf angesprochen, verwies Saberschinsky gestern darauf, daß gegen zwei beschuldigte Kripobeamte immerhin ein Haftbefehl vorliege, also „eine Kontrolle durch die Justiz ausgeübt“ werde. Plutonia Plarre

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