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Siegreich mit britischem Akzent

Shakespeare, Soldat Ryan und Roberto Benignis Holocaust-Komödie: In der Nacht zum Montag wurden in Hollywood die letzten Oscars des Jahrhunderts vergeben  ■ Von Brigitte Werneburg

Das Leben ist schön. Jedenfalls für Roberto Benigni. Bei der letzten Oscar-Nacht in diesem Jahrhundert, ach was, in diesem Jahrtausend, bitte sehr! Im Dorothy Chandler Pavilion, in den die Verleihungszeremonie für die Academy Awards 1999 zurückverlegt wurde – nach einigen Jahren im größeren, aber leider so viel weniger glamourösen Shrine Auditorium – kraxelte der italienische Komikerstar gleich über die Stuhlreihen, um seiner Freude über den Oscar für den besten Hauptdarsteller Ausdruck zu verleihen. Als er so, etwas mühsam, aber spektakulär, auf die Bühne gelangt war, stellte er fest, daß er sein ganzes Englisch schon für die Dankesrede anläßlich seines ersten Oscars an diesem Abend aufgebraucht hatte. Da hatte er für „La Vita è bella“, seine Tragikomödie über den Holocaust, den Academy Award für den besten fremdsprachigen Film erhalten. Nach Sophia Loren, die 1962 den Oscar für ihre Hauptrolle in „La Ciciara“ von Vittoria de Sica gewann, ist Benigni der zweite Darsteller in einem fremdsprachigen Film, dem dies gelang (hübscher-, aber verräterischerweise war es denn auch die Loren, die die Entscheidung bekanntgab). Benigni ist auch der zweite Regisseur, der sich selbst zum Oscar führte. Vor ihm schaffte das nur Laurence Olivier in seinem „Hamlet“-Film 1949.

Nun könnte man ja meinen, da wären die Oscars (auch den für den besten Film bekam Olivier) schon einmal in ganz ähnlicher Weise an eine europäische Produktion gegangen, aber so ist das nicht. Die Trennlinie ist die Sprache. Daher gehen auch die sieben Oscars für den britischen Film „Shakespeare in Love“ in Ordnung – trotz des wunderbaren fremdsprachigen Akzents seiner Oscar-preisgekrönten Hauptdarstellerin Gwyneth Paltrow. Die Produzententochter aus Hollywood soll seit Jahren an ihrem britischen Akzent gearbeitet haben, so Entertainment Weekly. Für 13 Awards war die Komödie um William Shakespeares Schreibblockade nominiert, nur elf gab es für Steven Spielbergs „Saving Private Ryan“.

Shakespeare konnte seinen Vorsprung halten, denn Spielberg ging mit fünf Oscars nach Hause. Zu seinem zweiten Oscar als bester Regisseur kamen ein Oscar für die beste Kamera (Janusz Kaminski), einer für den besten Schnitt (Michael Kahn), einer für den besten Ton und ein weiterer für die besten Toneffekte. „Shakespeare in Love“ staubte die goldene Statuette in folgenden Kategorien ab: bester Film, beste Hauptdarstellerin, beste Nebendarstellerin, bestes Original-Drehbuch für Marc Norman und Tom Stoppard, beste Filmmusik für eine Komödie, beste Kostüme und beste Ausstattung.

Gwyneth Paltrow, die Ethel, die Piratenbraut, zu Romeos Julia transformierte und damit Will Shakespeare zum größten Autoren aller Zeiten machte, nahm ihren Oscar tränenüberströmt entgegen. Entertainment Weekly hatte noch in seiner Sonderausgabe zur Oscar-Verleihung gemeint: „Wir waren nicht überzeugt, daß sie für größere Dinge gemacht sei als für Klatschspalten und Modemagazine“. Man sollte junge Frauen, die so eifrig ihre Sprachkenntnisse erweitern, eben nicht unterschätzen.

Verlierer der Oscar-Schlacht waren zwei Filme, die ihr Thema mit den Gewinnern teilten: „Elizabeth“, das Kostümdrama um die junge Queen, erhielt nur den Oscar für die Maske. Und Terrence Malick ging mit „The Thin Red Line“, der den Zweiten Weltkrieg im Pazifik schildert, gar völlig leer aus. (Liest denn niemand in Hollywood den Spiegel?! Durs Grünbein?!). Verlierer ist auch Edward Norton in „American History X“; er hatte sich Chancen für den besten Hauptdarsteller ausgerechnet, da es ein totes Rennen zwischen Tom Hanks und Nick Nolte schien. Doch dann kam eben der schmächtige Italiener mit seinem schnell erschöpften englischen Wortschatz und holte sich das Ding.

Während drinnen noch Whoopie Goldberg als Moderatorin des Abends ihre Scherze machte, „,A Bugs Life‘, war das nicht die Geschichte mit Linda Tripp“? (die hatte ja bekanntlich mit einer Wanze versehen Monica Lewinsky ausgespäht) standen vor dem Dorothy Chandler Pavilion die Demonstranten, um gegen den Ehren-Oscar für Elia Kazan zu protestieren. Sie folgten dem Aufruf des Drehbuchautors Bernard Gordon, der auch die Stars im Festsaal aufgefordert hatte, nicht zu applaudieren. Der 89jährige Kazan, der während der McCarthy-Ära Kollegen als Kommunisten denunziert hatte, bedankte sich bei der Akademie für deren „Mut und Großzügigkeit“, nahm aber mit keinem Wort zu der Kontroverse Stellung, die seine Ehrung ausgelöst hatte. Tatsächlich erhoben sich zahlreiche Prominente im Saal – im Unterschied zu den festen Ritualen bei solchen Gelegenheiten – nicht von den Plätzen und verweigerten den Beifall.

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