: Schlag nach bei www.schwandner.de
■ Zu Besuch beim Turbodoktor: Was aus ehemaligen Kultur-Staatsräten und Ex-Museumsreferentinnen wird, läßt sich heutzutage im Internet herausfinden
Das Internet, werte Leserschaft, liebe netizens, taugt bekanntlich zu vielen Dingen. Dort lassen sich Ehen anbahnen, Feindschaften knüpfen, Bücher bestellen, Nachrichten lesen, und gelegentlich kehren darin selbst kreuzbrave Schäfchen ihren Hyde raus. Es wimmelt und tümmelt in den neuen Netzen also nur so vor Weisheit, Kuriositäten und beidem zugleich. Doch das, was sich unter der Adresse www.schwandner.de auf der Homepage eines gewissen Ehepaares Schwandner aufstöbern läßt, verwandelt selbst übellaunigste Typen in echte Wonneproppen.
Sie erinnern sich? Dr. Gerd Schwandner war von 1992 bis 1995 Staatsrat der bündnisgrünen Kultursenatorin Helga Trüpel und erwarb sich schnell seinen Ruf als Verbalhusar. „Der Ehrgeiz, möglichst viele Besucher zu bekommen, ist in Bremen unterentwickelt“, scholt der gelernte Chirurg und „Turbodoktor“ seinerzeit die Bremer Museen und hätte mit den Herren von der Kunsthalle beinahe auch handfest gerauft, so sehr hat er den ehrenwerten Kunstfreunden mit Konzepten und Papieren ans Bein gepinkelt. Sein Ehrgeiz, möglichst viele Besucher zu bekommen, scheint dagegen keine Grenzen zu kennen. Ihn jedoch als Exhibitionisten zu bezeichnen ginge (wegen fehlender Nacktfotos) ein bißchen weit.
Dr. Gerd Schwandner, inzwischen Geschäftsführer des Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe, hat geheiratet. Seine Gattin, Dr. Annette Schwandner, hörte früher auf den Namen Frau Dr. Drees und war bis vor wenigen Monaten die für Museen zuständige Referentin in der Bremer Kulturbehörde. Jetzt hat es sie also ins Süddeutsche verschlagen, wo sie als persönliche Referentin des Staatssekretärs Michael Sieber im baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst arbeitet und am 5. Dezember 1998 mit Dr. Gerd Schwandner den Bund fürs Leben schloß.
Ein glückliches Brautpaar strahlt den Surfer auf www.schwandner.de an, und wo „menue“ steht, geht's auch zum Menü – nämlich zur Speisenfolge, die der Hoch-zeitsgesellschaft im Hotel-Restaurant „Hasen“ am Tag der Trauung angeboten wurde: Feldsalat mit roeschem Speck und Croutons, eine klare Tomatensuppe, Rehrücken mit Bubenspitzle und eine Bombe von Lebkuchenmousse ließen sich die Schwandners unter anderem schmecken. Und wenn sich der Surfer jetzt auch einen „Napa Valley Zinfandel“ oder einen „Sasbacher Limburg“ Jahrgang 1996 genehmigt, macht das weitere Auskundschaften von www.schwandner.de gleich doppelt Spaß.
Alle Welt kann dort nämlich erfahren, daß Dr. Annette Schwandner, geborene Drees, am 13. August 1958 in Melle zur Welt kam, von 1968 bis 1974 das Polygymnasium Werther besucht und 1992 an EDV-Kursen Textverarbeitung und Datenbanken teilgenommen hat. Turbodoktor Gerd Schwandner ist am 22. Mai 1951 in Göppingen geboren, hat Medizin studiert und sitzt seit kurzem dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft namens „websolute new Media“ vor.
Daß er 1992 neben seinem Bremer Staatsratsgehalt auch noch Diäten aus dem Stuttgarter Landtag bezog und, als das aufflog, sagte „doppelt verdienen ist schön“, steht leider nicht im Lebenslauf. Dafür interessiert sich Schwandner laut Liste der favorisierten Links für alles aus Boston, die Hoepfner Privatbrauerei in Karlsruhe sowie für Harrison Ford.
Wer keine Gelegenheit hatte, an der Hochzeitsfeier teilzunehmen, wird mit Fotos verwöhnt, die – nunja, hmmmm – zeigen, daß auch KunstexpertInnen im Privatleben „nur einfach draufdrücken“, wenn der Blitz denn funktioniert. Schön und harmonisch muß das Fest trotzdem gewesen sein, und Dr. Annette Schwandner hat das Ja-Wort regelrecht gehaucht.
Unter der Rubrik „Der Wunsch“ schreiben Frau und Herr Schwandner echte Lebensweisheiten auf: „Man bekommt haufenweise liebgemeinte Geschenke, oftmals jedoch Dinge, die man bereits hat.“ Damit sich die Espressomaschine, der Trüffelhobel und das Soda-Stream-Gerät nicht doppeln, wollen sich die beiden ein Kunstwerk – nämlich „Hall of thirty three bays“ von Hiroshi Sugimoto – kaufen. Nicht steuerlich absetzbare Spenden unter dem Kennwort „Sugimoto“ bitte an: Konto 900.104131.1, bei der L-Bank Karlsruhe mit der Bankleitzahl 660 107 00. ck
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