Von Zarah Leander über Rio Reiser bis Edith Piaf

■ Herrlich unprätentiös singt die Israelin Miri Aloni von Völkerverständigung und Frieden

Ein trauriger Anlaß: Im November 1995 wurde Miri Aloni weltweit bekannt. Auf einer Friedenskundgebung vor dem Rathaus von Tel Aviv sang sie gemeinsam mit Jitzhak Rabin ihr Friedenslied. Nur wenige Minuten später wurde der israelischen Ministerpräsident von einem Attentäter erschossen. Rabin, so erzählt die Sängerin, hatte sie lange Jahre sehr gut gekannt und sein Leben wie seine Karriere „vom Armeegeneral bis zum General des Friedens“ begleitet. Rabins Ermordung war ein schwerer Verlust, denn für sie war er nicht nur ein Freund, sondern auch ein Mitstreiter im schwierigen Friedensprozeß in Israel. In einer traurigen, mit Leidenschaft gesungenen Hommage beschreibt sie ihn als einen „Mann des Geistes und der schönen Dinge“.

In ihrer israelischen Heimat ist Miri Aloni ein gefeierter Star, der sowohl auf Musicalbühnen wie in der Rock- und Popszene zu Hause ist. Einen kleinen Ausschnitt ihres Repertoires davon präsentiert sie auch in dem eigens für Berlin erarbeiteten Programm „...und morgen die ganze Welt“: israelische Popsongs, wie auch traditionelle hebräische und jiddische Lieder. Sie versucht sich als musikalische Botschafterin des Friedens und läßt nach arabischen Melodien Ägyptisches folgen, auf Zarah Leander einen bayrischen Jodler – auf hebräisch gesungen. Ihrem Publikum bringt sie bei, wie Araber Kaffee genießen (nämlich laut schlürfend) und wie sie klatschen (nämlich mit gespreizten Fingern). Praktische Völkerverständigung also. Aloni läßt die Welten aneinanderklatschen. Sie, die Jüdin, tritt nach der Pause mit Dornenkrone und in der Pose einer Gekreuzigten auf und singt später auch das „Ave Maria“. Sie macht Witze über die Geschäftstüchtigkeit der Juden und makabre Scherze über die Ordnungsliebe der Deutschen. Und man erfährt auch den wahren Grund für den Selbstmord Hitlers: „Er hatte die Gasrechnung bekommen.“

Der kabarettistisch-satirische Anschlag aber hat nie wirkliche Schärfe, die Fettnäpfchen, in die sie freiwillig tritt, sind nicht wirklich tief für sie. Denn Miri Aloni ist eine Frau mit Charme, der man recht schnell alle Sympathie schenkt und derlei niemals übel nähme. Schade eigentlich, daß ihr Regisseur Jürgen Müller sie dann auch noch Piaf singen läßt und ihr dazu – völlig unironisch – eine rosa Boa umhängt. Mit derlei aufgesetzten Späßchen im zweiten Teil des Abends geht viel von dem bis dahin ersungenen Respekt dahin. Denn die Gunst ihrer Zuschauer fliegt Aloni auch deshalb zu, weil sie als Sängerin mit ihrer reifen, prägnanten Stimme so unprätentiös und klar bleibt. Wenn sie Zarah Leander singt, rollt sie zwar für einen kurzen Moment imitierend das R, aber dann geht das Lied ganz und gar in ihren Besitz und ihre Gesangsfarbe über. Ob sie, die sonst kaum ein Wort Deutsch spricht, Songs von Rio Reiser („um das zu lernen, habe ich mir den Arsch aufgerissen“) oder eine Rockballade der Scorpions interpretiert – ihre kraftvolle Stimme läßt über manch allzu flaue Inszenierung hinwegsehen. Axel Schock

BKA-Luftschloß bis 5. April, Mi-So, 20 Uhr