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„Der Mann darf nicht mehr in die Wohnung“

■ In Berlin versucht ein Interventionsprojekt, gegen häusliche Gewalt von Männern vorzugehen. Gründerin Birgit Schweickert sieht erste Erfolge: Mehr Frauen verklagen ihre prügelnden Ehemänner

taz: Schlagende Männer und geschlagene Frauen – das ist ein Tabu-Thema. Wie wollen Sie das ändern?

Birgit Schweickert: In den letzten Jahren haben wir in Fachgruppen mit ExpertInnen aus allen betroffenen Bereichen gearbeitet. Wir haben Polizei und Justiz gefragt, wie sie mit dem Thema häusliche Gewalt umgehen. Wir haben nach Möglichkeiten gesucht, geschlagene Frauen zu unterstützen – oder wie Eltern Kinder gewaltfrei erziehen können. Die Fachgruppe Polizei erarbeitet gerade „Handlungsanweisungen für den polizeilichen Einsatz“.

Was macht die Berliner Polizei jetzt anders, wenn sie wegen eines sogenannten Familienkrachs gerufen wird?

Zuerst haben wir geändert, daß das ganze nicht mehr Familienstreitigkeit heißt, sondern Körperverletzung, das heißt Gewalt gegen Frauen. Die MitarbeiterInnen, die den Notruf entgegennehmen, haben eine Checkliste an die Hand bekommen, wie sie fragen sollen. Zum Beispiel: Sind da Waffen, wo sind die Kinder, ist die Frau in Sicherheit, ist der Mann noch da?

Ist das nicht Routine bei einem Polizeieinsatz?

Es gab vorher überhaupt keine Standards für diese Anrufe. Schon die Bezeichnung Familienstreit zeigt: Das hatte keine hohe Priorität. Es hieß: „Dann fahren wir halt mal hin und gucken mal. Der Typ ist eh betrunken, und dann nehmen wir die halt auseinander.“ Das ist jetzt anders: Für alle Einsatzpunkte gibt es Richtlinien und Empfehlungen, wie die Polizei vorgehen soll. Daß sie beispielsweise grundsätzlich die Wohnung betritt, um Beweise zu erheben.

Wie reagieren die Polizeibeamten in Ihren Schulungen?

Es gibt eine ganze Menge Beamter, die mit dem bisherigen Vorgehen unzufrieden sind. Die sagen: „Mensch, gebt uns klare Handlungsanweisungen, weil für uns die Situation sowieso schwierig ist.“ Die sind ja massiv mit solchen Sachen konfrontiert und müssen sich verhalten. Deshalb ist das Projekt sehr gut angekommen.

Der nächste Schritt müßte eigentlich ein Strafantrag sein. Aber das ist den Frauen zu riskant?

Das Durchstehen eines Stafverfahrens setzt ja erst mal voraus, daß die Frau in Sicherheit ist, das heißt, sie braucht zivilrechtlich den Schutz, in der Wohnung bleiben zu können. Das bedeutet auch, die Frau braucht die Ehewohnung, und der Mann darf nicht mehr hin! Da müssen wir zum Verursacherprinzip übergehen. Die Vollstreckung in diesem Bereich ist im Moment völlig unbefriedigend.

Was kann eine Initiative wie die Ihre daran ändern?

Wir haben durchgesetzt, daß es das Sonderdezernat „häusliche Gewalt“ bei der Amtsanwaltschaft gibt. Die achten darauf, daß das Verfahren nicht mehr mit der Begründung eingestellt wird, die Frau könne ja privat klagen. Sondern daß es ein Verfahren von öffentlichem Interesse ist, das der Staat betreibt. Die Strafanträge gegen Männer sind seitdem sprunghaft angestiegen.

Die meisten Verfahren enden trotzdem nicht mit einer Bewährungsstrafe, bei der man auch soziale Trainingskurse zur Auflage machen könnte, sondern mit einer Geldbuße. Diese Männer kann man also nicht erreichen.

Sie haben recht, auch sogenannte Ersttäter bekommt man auf dieser Ebene nicht, man muß auch noch auf anderen Ebenen arbeiten. Wir haben natürlich nur mit den ganz harten Jungs zu tun.

Kann man denn einen Schläger in den von Ihnen vorgeschlagenen 26 Gruppensitzungen ändern?

Nein. Man muß die Erwartungen, auch der Frauen, herunterschrauben. Aber in 26 Wochen kann man eine Verhaltensänderung einleiten. Das Bekenntnis zu der Tat, über die Situation des Opfers und die Folgen zu reflektieren und ein Training von nichtgewalttätigem Verhalten zu beginnen. Damit ist ein Anfang gemacht. Es gibt aber Erfahrungen aus den USA: Die Rückfallquote ist dort zurückgegangen. Interview: Heide Oestreich

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