piwik no script img

Lehrer freut sich über „Nie wieder Schule“

■ Ein Kulturreferent darf nach gestriger Gerichtsentscheidung Referent bleiben

Das Senatsressort für Bildung, Wissenschaft, Kunst und Sport muß sich voraussichtlich auf eine Flut von Arbeitsgerichtsprozessen einstellen. Denn das Ziel von Behörde und Senatorin Bringfriede Kahrs (SPD), möglichst viele abgeordnete LehrerInnen in den Schuldienst zurückzurufen, dürfte seit gestern schwerer umzusetzen sein. Der für Stadtteilkultur zuständige Referent in der Kulturbehörde, Michael Filzen-Salinas, gewann gestern vor dem Landesarbeitsgericht auch die Berufungsverhandlung gegen seine Rückversetzung. „Sein Beispiel“, so gibt ein Ressortmitarbeiter hinter vorgehaltener Hand zu, „könnte Schule machen.“

Michael Filzen-Salinas ist seit 1989 in der Kulturbehörde tätig. Der angestellte Lehrer wechselte aus dem Schuldienst auf die Referentenstelle für Stadtteilkultur. Zur Zeit der Ampelkoalition zwischen 1991 und 1995 war er Personalratsvorsitzender des damals selbständigen Kulturressorts. Etwa ein Jahr nachdem er aus dem Personalrat ausgeschieden war, wurde er in den Schuldienst zwangsversetzt. Er klagte dagegen und war damit in zwei Instanzen erfolgreich. Der Inhalt seines Arbeitsvertrages habe sich nach jetzt acht Jahren höherwertiger Tätigkeit im Kulturressort geändert, und deshalb könne der Vertrag nicht einseitig geändert werden, heißt es in der Urteilsbegründung des Landesarbeitsgerichts. Seit Sommer 1998 arbeitet Filzen-Salinas wieder als Referent in der Behörde und strickt nach eigenen Angaben gerade am Finanzierungskonzept für den Umbau des Kulturbahnhofs Vegesack.

Dem Vernehmen nach soll Filzen-Salinas' Vergangenheit als Personalrat eine wichtige Rolle bei seiner Rückversetzung gespielt haben. Demnach hat er nach dem Antritt der Großen Koalition kritisiert, daß für Rainer Köttgen die damals gesperrte Stelle des Hauptabteilungsleiters im Ressort wieder geschaffen wurde. Doch diese Angaben werden von keiner der beiden Seiten offiziell bestätigt. Aber auch ohne eine Vergangenheit im Personalrat blüht vielen abgeordneten LehrerInnen die Rückehr in den Schuldienst. „Es ist das erklärte Ziel des Senats“, so ein Behördensprecher.

Mitte bis Ende der 80er Jahre verließen immer mehr LehrerInnen die Schulen, um in der Kulturbehörde, in Bibliotheken, Museen und zahlreichen anderen (Kultur-) Einrichtungen zu arbeiten. Weil es damals einen sogenannten Stellenüberhang im Sek-2-Bereich gab, waren die Abordnungen ein gängiges Mittel, den allgemeinen Stellenstop zu umgehen. In Hochzeiten waren 250 Teil- oder Vollzeitstellen außerhalb der Schulen mit LehrerInnen besetzt. Heute sind es nach Angaben des Behördensprechers noch 104 Stellen. Weil auch Teilzeitbeschäftigungen darunter fallen, schätzt er die Zahl der LehrerInnen auf etwa das Doppelte.

Die 22,5 Stellen in der Stadtbibliothek und die 14 Stellen in der Volkshochschule (VHS) sollen diesen Eigenbetrieben überschrieben werden. „Wenn die abgezogen würden, müßten wir elf Standorte schließen“, bestätigt Bibliotheks-chefin Barbara Lison den Stand der Verhandlungen. Die übrigen 70 Stellen sind auf zahlreiche Institutionen verteilt. Viele dieser LehrerInnen sollen schon mit ihren AnwältInnen Kontakt aufgenommen haben. ck

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen