piwik no script img

"Was tut Joschka Fischer?"

■ Christian Simmert, 26, gehört zu den sieben Bundestagsabgeordneten der Grünen, die sich gegen den Nato-Einsatz ausgesprochen haben. Er fordert eine erkennbare grüne Handschrift in der Außenpolitik

taz: Die Nato verstärkt ihre Angriffe, Sie wollen eine friedliche Lösung. Stehen Sie nicht auf verlorenem Posten?

Christian Simmert: Nein, wir haben in der Partei knapp 400 Stimmen für den Stopp der Bombardierung des Kosovo gesammelt. Es haben viele aus der Hamburger Bürgerschaft unterschrieben, aber auch Europaabgeordnete. Außerdem haben sich ja zwei Landesvorsitzende in Niedersachsen und NRW gegen den Einsatz ausgesprochen. Wir haben also Rückhalt in der Partei. Richtig ist, daß wir in der Fraktion eine Minderheit sind.

Treiben die Grünen auf eine interne Kosovo-Krise zu?

Es ist eine ziemlich harte politische Auseinandersetzung in der Fraktion gewesen. Ich habe nicht verstanden, wie unsere Geschäftsführung es zulassen konnte, daß nach Beginn der Luftangriffe im Bundestag darüber nicht diskutiert werden sollte. Mein Fraktionskollege Hans-Christian Ströbele hat dann ja im Plenum Flagge gezeigt, so daß es doch noch zu einer Debatte kam. Ich halte nichts davon, wenn Leute wie Mathias Berninger jetzt Hans-Christian und andere auffordern, die Fraktion zu verlassen. Wir bewegen uns im Rahmen der Parteiprogrammatik. Die Mehrheit der Bundestagsfraktion tut dies nicht.

Die verteidigungspolitische Sprecherin Ihrer Fraktion, Angelika Beer, sagte im Bundestag, sie habe von den Gegnern der Einsätze keine Antwort auf ihre Frage nach Alternativen erhalten. Können Sie ihr helfen?

Da habe ich Angelika immer entgegengehalten, ob denn das Bombardieren die Lösung ist. Bomben werden keinen Frieden schaffen. Die humanitäre Situation hat sich seit Beginn der Bombardements noch zugespitzt, die Vertreibungen verschärfen sich. Ich kann nur fragen: Was tut Joschka Fischer im Rahmen der Balkankonferenz, die am Donnerstag beginnt, um eine langfristige Befriedung des Kosovo hinzukriegen? Eine Eskalationsschraube auf dem Balkan kann sich niemand erlauben.

Sie haben kein Zutrauen in Joschka Fischer?

Ich fordere mehr grüne Handschrift in der Außenpolitik. Die Amerikaner haben immer auf die Nato gesetzt. Dieses Spiel muß eine grüne Regierungsbeteiligung nicht mitmachen. Da muß sich Joschka Fischer deutlich positionieren und alle diplomatischen Hebel in Bewegung setzen, um endlich eine wirksame Reform der UNO anzugehen.

Eine UNO-Reform dauert. Angelika Beer schreibt in einem offenen Brief an die Partei: „In einer Regierung muß man hier und heute entscheiden.“

Ich habe entschieden, daß ich gegen diese Luftangriffe bin. Ich hätte in einem stärkeren Maße versucht, die Russen einzubinden. Und ich hätte auch versucht, mit UNO-Generalsekretär Kofi Annan eine politische Initiative im Kosovo zu starten. Ich frage, wo bleibt ein Entwicklungsplan für die ganze Region?

Daß die Bemühungen um eine friedliche Lösung nicht ausreichend waren, räumt auch Frau Beer ein. Sie sagt: „Wir wissen aber auch, daß wir die Zeit nicht zurückdrehen können.“

Aber man muß aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und es anders machen. Die Bombardierungen haben den Effekt, daß die Bevölkerung jetzt die Nato als Feind begreift. Außerdem erfolgt die Bombardierung nach wie vor ohne UNO-Mandat und ist völkerrechtswidrig.

„Nach Stunden, nach Nächten der Abwägung, der Suche nach einem nicht vorhandenen Ausweg mußte ich mich entscheiden“, schreibt Frau Beer. Machen Sie sich's nicht zu leicht?

Wenn überhaupt, machen es sich die einfach, die sagen: Jetzt dürfen wir erst mal bomben, und dann sehen wir weiter. Interview: Patrik Schwarz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen