piwik no script img

Du sollst nicht töten - außer manchmal

■ Die deutschen Kirchen unterstützen die Nato-Angriffe, Weltkirchenrat und Vatikan lehnen den Krieg ab. Papst will vermitteln

„Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“, predigen die deutschen Kirchen – zumindest in Friedenszeiten. Einmütig haben die katholische und evangelische Kirche dazu aufgerufen, gerade an Ostern als dem höchsten christlichen Fest „um Frieden und Hilfe für das Kososvo zu beten“. Doch die Luftangriffe der Nato sehen die Spitzen der evangelischen und der katholischen Kirche als notwendiges Übel. Der Vatikan, der Weltkirchenrat und der Lutherische Weltbund dagegen haben gefordert, die Angriffe sofort einzustellen. Der Papst hat einen Waffenstillstand über die Feiertage bis zum serbischen Osterfest am 11. April gefordert – was US-Präsident Clinton ablehnte.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Karl Lehmann, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Manfred Kock, vermeiden es, die Nato- Luftangriffe auf das Kosovo als Lösung der politischen Probleme eindeutig zu befürworten. „Nach dem Scheitern der Friedensverhandlungen gilt militärische Gewalt als einzig wirksames, letztes Mittel“, sagt Kock. Kock stellt jedoch in Frage, ob die militärische Intervention „den Konflikt zu einer dauerhaften Lösung führt“. Auch Lehmann warnt vor der Gefahr, „das Gewaltmonopol der Vereinten Nationen zu untergraben“. Gleichzeitig formulieren beide Bischöfe das Dilemma der Verantwortlichen: „Nichts zu tun, würde jedoch bedeuten, in anderer Weise schuldig zu werden.“ Nach Ansicht von Kock sind die Luftangriffe durch unkluge Verhandlungen, zu langes Warten und ein Versagen der Diplomatie verursacht worden. Krieg sei immer ein schreckliches Mittel der Politik, in dem „man schuldig wird“.

Im Gegensatz zu ihren Oberhirten fordern sowohl die katholische Friedensbewegung „Pax Christi“ als auch die evangelische „Aktion Sühnezeichen“ vom Westen, den Krieg sofort zu beenden. „Der eskalierende Krieg befördert, was er zu verhindern vorgibt: die humanitäre Katastrophe im Kosovo“, erklärt die Aktion Sühnezeichen. Ein „radikales Embargo“ solle Serbiens Präsidenten Slobodan Milošović zum Einlenken zwingen. Denn „auch die ständige Terrorisierung der albanischen Mehrheit im Kosovo durch die serbische Armee kann das militärische Vorgehen der Nato nicht rechtfertigen“, so Pax Christi.

Für die serbisch-othodoxe Kirche in Deutschland, die jeden Abend Friedensgebete abhält, kann „Krieg niemals die Lösung für einen politischen Konflikt sein“. Am gestrigen Karfreitag waren die protestantischen Kirchen voller als gewöhnlich, was von vielen Pfarrern auf den Krieg zurückgeführt wird. In ihren Predigten forderten viele evangelische Priester das Ende der Nato-Angriffe, der sächsische Landesbischof Volker Kreß nannte die Situation ein „grausiges Fiasko“. Auch die internationalen Institutionen der Kirchen lehnen die Angriffe ab. Der Lutherische Weltverband und der Weltkirchenrat in Genf erklärten in einem Schreiben an UN-Generalsekretär Kofi Annan: „Jeder Tag der Bombardierung läßt eine Lösung in noch weitere Ferne rücken“, heißt es darin.

Alle Kirchen betonen, die humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge sei nun ihre vordringliche Aufgabe. Sowohl in Deutschland als auch vor Ort stehe das an erster Stelle, sagte EKD-Sprecher Thomas Krüger. In Makedonien und Albanien sind Caritas und Diakonie in der Hilfsorganisation „Action of Churches together“ aktiv.

An einer diplomatischen Lösung des Konflikts arbeitet auch der Vatikan. Der Nuntius in Jugoslawien, Erzbischof Santos Abril y Castello, erklärte, er halte ständigen Kontakt mit dem Außenministerium in Belgrad. Auch wenn andere Botschaften während des Krieges geschlossen würden, werde die Vertretung des Vatikans im Land bleiben. Papst Johannes Paul II. mahnte, „Gewalt als Antwort auf Gewalt“ sei niemals ein Ausweg. Der römische Oberhirte ist damit nur konsequent: Als eine der wenigen weltweit gehörten Stimmen hatte Papst Johannes Paul II. auch 1991 den Krieg gegen den Irak scharf verurteilt. Die Militäraktion der UNO unter Führung der USA nannte er einen „Mißbrauch des Völkerrechts“, der ein „Abenteuer ohne Rückkehr“ sei. Jutta Wagemann/Bernhard Pötter

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen