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„Wir dürfen die Schwachen nicht allein lassen“

Hamburg wird 260 Kosovo-Flüchtlinge aufnehmen. 6000 Menschen beim Ostermarsch  ■ Von Heike Haarhoff

Es war ein Menschenaufgebot wie zu Zeiten der großen Friedensdemonstrationen der 80er Jahre: 5000 Menschen, nach Angaben der Veranstalter 6000, zog der Protest gegen den Krieg in Jugoslawien gestern zum Hamburger Ostermarsch. Auf fünf Kundgebungen zwischen Klosterstern und Landungsbrücken forderten die Demonstrierenden einen sofortigen Stopp der Bombardierung Jugoslawiens durch die Nato und die Wiederaufnahme politischer Gespräche zur Befriedung des Kosovo.

Am Nachmittag gaben Hamburgs Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) und die Innenbehörde bekannt, daß Deutschland zunächst rund 10.000 Flüchtlinge aus dem Kosovo aufnehmen werde, um, so Runde, „den vor dem Terror fliehenden Menschen zu helfen“. Darauf hätten sich die Innenstaatssekretäre am Sonnabend geeinigt. Die Flüchtlinge sollten auf die Bundesländer nach einem Schlüssel verteilt werden, wie er für Asylbewerber angewendet wird. Hamburg werde danach 2,6 Prozent, also etwa 260 Menschen, aufnehmen.

„Es stehen genügend Kapazitäten für diese Flüchtlinge zur Verfügung“, sagte ein Sprecher der Innenbehörde. Zudem sei eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden, an der neben den Behörden auch Hilfsorganisationen beteiligt seien, sagte Runde. Der Bürgermeister sprach sich zudem gegenüber der Mopo für eine offene Diskussion auf dem Bonner SPD-Sonderparteitag am 12. April über die Nato-Bombardierung aus. Parteien wie SPD und Grüne, die in der Tradition der Friedensbewegung stünden, erlebten nun „Zerreißproben“.

Die waren auf dem Ostermarsch mehr als spürbar. Während die GEW-Landesvorsitzende, Anna Ammon, öffentlich auf Distanz zu ihrer Dachorganisation DGB ging und die rot-grüne Bundesregierung für deren „Gründlichkeit“ angriff, mit der sie „einen Krieg ohne völkerrechtliche Legitimation“ vorantreibe, mochten sich die mitdemonstrierenden Mitglieder der linken Parteiflügel von SPD und Bündnisgrünen nicht einmal öffentlich als solche outen: Sie zogen es vor, schweigend mitzumarschieren und Parteifahnen und Transparente daheim zu lassen. Nur die PDS hißte selbstbewußt und unzerstritten ihr Banner.

Hamburgs grüner Umweltsenator Alexander Porschke erklärte am Rande des Ostermarsches, er halte zwar eine „Unterbrechung“ der Bombardierung für sinnvoll, nicht aber ihren „Abbruch“: Denn der würde Milosevic nur den Eindruck vermitteln, gesiegt zu haben.

Im Zwiespalt befinden sich auch die Kirchen. Der katholische Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke sagte in seiner Osterpredigt, Gewalt dürfe sich nicht verselbständigen, indem die Todesspirale höher geschraubt werde. „Wir dürfen die Schwachen nicht allein lassen.“ Die Bischöfin der Evangelisch-Lutherischen Kirche, Maria Jepsen, mahnte im Deutschlandradio Berlin eine politische Lösung für Jugoslawien an. Dies müsse auf „ganz neuer Basis“ geschehen.

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