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Ost-Timor ruft nach UN-Friedenstruppen

Der Führer der Unabhängigkeitsbewegung fordert zur Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes auf, sollte die UNO keine Friedenstruppen schicken und Indonesiens Milizen nicht entwaffnet werden  ■   Von Jutta Lietsch

Bangkok (taz) – „Ost-Timor am Rande des Krieges“ war die Erklärung überschrieben, die Diplomaten zahlreicher Länder gestern aus ihrem Faxgerät zogen. Der Absender: José Alexandre „Xanana“ Gusmao, Chef der ost-timoresischen Unabhängigkeitsbewegung, derzeit unter Hausarrest in Indonesiens Haupstadt Jakarta.

Seine Botschaft: Die Zeit des Waffenstillstands gegenüber der indonesischen Regierung sei vorbei. Indonesien versuche vorsätzlich, eine friedliche Lösung des Konflikts um die 1976 gewaltsam annektierte Region zu verhindern. Deshalb bleibe der ost-timoresischen Guerilla keine andere Wahl, als den bewaffneten Kampf wieder zu beginnen, um die Bevölkerung gegen Übergriffe des indonesischen Militärs und die von ihnen unterstützten Milizen zu verteidigen. „Ich weiß, das Volk von Ost-Timor wird ein neues Blutbad erleben“, heißt es in dem dreiseitigen Schreiben Gusmaos, „aber ich weiß auch, daß wir keine Alternative haben.“

Dies ist eine dramatische Kehrtwendung: Seitdem Präsident B. J. Habibie im Januar erstmals und überraschend die Unabhängigkeit für Ost-Timor in Aussicht gestellt hatte, galt Gusmao als einer der besonnensten Köpfe bei den Verhandlungen um die Zukunft der ehemaligen portugiesischen Kolonie. Unter Schirmherrschaft der UNO verhandeln derzeit Diplomaten aus Jakarta und Lissabon über eine geeignete Methode, die Ost-Timoresen zu befragen, ob sie Autonomie unter indonesischer Regierung haben oder ganz unabhängig werden wollen.

Indonesiens Regierung reagierte gestern scharf auf die Erklärung Gusmaos: „Das ist offensichlich sehr wenig hilfreich“, sagte die außenpolitische Sprecherin von Präsident B. J. Habibie, Dewi Anwar Fortuna. „Die Regierung bemüht sich ernsthaft, eine friedliche Lösung zu finden.“ Kritik äußerten auch ander Regierungen: „Es gibt viele Waffen in Ost-Timor, es ist eine sehr unberechenbare Situation dort“, sagte Australiens Außenminister Alexander Downer.

Hintergrund der jüngsten Gusmao-Äußerungen sind die zunehmenden Überfälle bewaffneter Banden, die unter den Augen und mit Unterstützung der Armee gegen die Unabhängigkeitsbewegung kämpfen. Tausende Ost-Timoresen mußten in den letzten Monaten aus ihren Dörfern flüchten. Die Milizen, die aus dem großen Pool arbeitsloser Männer rekrutiert werden und häufig Verwandte von Armeeangehörigen sind, terrorisieren ganze Bezirke der 830.000-Einwohner-Region. Hilfsorganisationen wie CARE, die Reis an arme Familien verteilen, können mehrere Distrikte nicht mehr beliefern, weil sie von den Banden bedroht werden. Im Februar mußten die Mitarbeiter australischer Hilfsorganisationen Hals über Kopf Ost-Timor verlassen, nachdem die Chefs von zwei bekannten Milizen sie mit dem Tode bedroht hatten. Keiner von ihnen ist bislang vor Gericht gestellt worden – auch nicht jene, die öffentlich damit angeben, daß sie bereits mehrere Leute umgebracht hätten. Am Wochenende kamen nach einem Milizen-Überfall nach Angaben des Widerstands 17 Menschen um, die Armee sprach von zwei Toten.

Gusmaos Anwälte versuchten gestern, die Kriegserklärung abzumildern: Dies sei eine dringende Warnung an die internationale Gemeinschaft, Ost-Timor zu helfen. Wenn die UNO Friedenstruppen schicke, wolle Gusmao seinen Befehl zum Kampf sofort wieder zurückziehen, hieß es.

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