■ Die Bevölkerung von Ost-Timor ist mit ihrer Geduld am Ende: Internationaler Druck oder Katastrophe
In Ost-Timor bahnt sich eine neue Katastrophe an: Nur massiver internationaler Druck auf die indonesische Regierung und die Armee können ein Blutbad in der 1976 annektierten Inselhälfte noch verhindern. In den vergangenen Monaten hat Präsident B.J. Habibie zugelassen, daß bewaffnete Banden, die vom indonesischen Militär unterstützt werden, Ost-Timor terrorisieren. Diese Milizen sagen ganz offen, was sie wollen: einen Bürgerkrieg provozieren, damit die UNO keine Abstimmung über die Zukunft der Region organisieren kann.
Bislang hatte der inhaftierte Rebellenchef Xanana Gusmao die Bevölkerung aufgefordert, ruhig zu bleiben – auch wenn proindonesische Banden immer wieder Dörfer überfielen. Sein Kalkül: Alle Welt sollte sehen, daß die Unabhängigkeitsbewegung zu einer politischen Lösung fähig sei. Aus seiner Gefängniszelle, dann aus dem Hausarrest heraus beschwor Gusmao seine Anhänger immer wieder, noch etwas „Geduld zu haben“. Die meisten Osttimoresen hofften, dies würde bald belohnt. Nachdem Habibie Anfang des Jahres erstmals die Unabhängigkeit der widerspenstigen Region in Aussicht stellte, überschlug sich die Entwicklung geradezu. Zwar war noch gar nicht klar, wie und wann Indonesien die ehemalige portugiesische Kolonie freigeben würde; aber das Ende der Unterdrückung schien in Sicht.
Dann jedoch wuchs schnell die Ernüchterung: Auch unter Habibie, der sich gern als liberaler, demokratisch gesonnener Politiker darstellt, ging der schmutzige Krieg in Ost-Timor weiter. Prominente wie Friedensnobelpreisträger Bischof Belo, Gusmao und auch internationale Beobachter fordern seit längerem dringend, schnell internationale Beobachter und Helfer nach Ost-Timor zu schicken, um die Situation zu entschärfen. Das jedoch lehnt die Regierung ab; nicht mal ausländische Ärzte erhalten ein Visum – eine kaum erklärliche Grausamkeit.
Nach Tausenden Flüchtlingen und immer neuen Gräbern keimt bei vielen Osttimoresen der Verdacht, sie seien schrecklich getäuscht worden. Die Wut wächst, indonesische Geschäftsleute, ÄrztInnen oder LehrerInnen bekamen dies bereits in den letzten Monaten zu spüren und flohen scharenweise. Gestern hieß es, der jüngste Aufruf an die Osttimoresen, sich künftig wieder bewaffnet gegen Militär und Milizen zu verteidigen, sei ein Versuch, die internationale Öffentlichkeit aufzurütteln, die derzeit eher nach Kosovo blickt. Das ist ein gefährlicher Schritt – der zeigt, wie verzweifelt die Lage ist. Jutta Lietsch
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen