Kommentar
: Krieg macht dumm

■ Kosovo: Die militärische Logik ersetzt mehr und mehr die Politik

Zwei Wochen nach Beginn der Nato-Luftangriffe auf Jugoslawien ist klar: Die Bomben verhindern die ethnischen Säuberungen im Kosovo nicht, im Gegenteil. Was nun? More of the same – das ist die monotone Botschaft von Schröder, Scharping und Fischer. Je fragwürdiger die Nato-Aktion erscheint, desto hermetischer wirkt ihre Argumentation. Vor allem Scharpings rhetorische Schleife klingt stets gleich: Wir werden die Bombardierungen fortsetzen – denn es gibt keinen anderen Weg, die „unvorstellbaren Greuel“ (Scharping) im Kosovo zu beenden.

Dabei helfen die Nato-Bomben den Kosovo-Albanern bisher nicht. Wenn Scharping die Bombardierung trotzdem fortsetzen will, muß er sagen, warum. Gibt es, gegen den Augenschein, Gründe anzunehmen, daß das Milošević-Regime wankt? Welches Indiz zeigt, daß die Bomben die Vertreibungen behindern?

Doch statt diese Fragen zu beantworten, weigert sich Scharping schlicht, die Nato-Politik rational zu begründen. Statt dessen hört man, ebenso von Fischer und Schröder, Moral- und Durchhalteparolen. In Scharpings rhetorischem Repertoire ist Milošević, der terroristische Präsident einer bankrotten Regionalmacht, mittlerweile zu einer Art Hitler aufgestiegen. Von „Konzentrationslagern“ im Kosovo wußte der Minister kürzlich zu berichten. Beweise existieren dafür bislang nicht.

Im Kosovo finde ein zweites Srebrenica statt, so Scharping – und dort hätten Serben 30.000 Zivilisten ermordet. Laut UNHCR waren es 7.076 Opfer. Meinte Scharping vielleicht nicht die Zahl der Toten, sondern jene der Vertriebenen? Egal – wenn man auf der richtigen (Kriegs-) Seite steht, kommt es auf solche Kleinigkeiten nicht mehr an. Krieg macht dumm.

Das ist die Dynamik des Krieges: Je länger er dauert, um so böser muß der Feind gezeichnet, um so grimmiger die eigene Entschlossenheit bekundet werden. Und die moralisch aufgerüstete Rhetorik entlastet von der bangen Frage, ob man noch kontrolliert, was man tut. Clinton fordert von Milošević mittlerweile die Kapitulation – obwohl man laut offiziellem Nato- Jargon gar keinen Krieg führt.

Die Politik, die rationale Abwägung von Alternativen, dankt ab. Sie wird durch die wie unabsichtlich einsickernde Logik des Militärischen ersetzt, die auf jedes Problem mit Eskalation antwortet. Scharping lehnt den Einsatz von Bodentruppen ab. Wie lange noch? Stefan Reinecke