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Vorbehalte gegen Kiezmanager

■ In Friedrichshain mobilisieren Mieteraktivisten und Sozialhilfeinitiativen gegen „Quartiersmanagement und Arbeitsdienste“

Wer das Quartiersmanagement rund um den Boxhagener Platz in Friedrichshain übernehmen wird, wird es nicht leicht haben. Denn in dem Kiez regt sich Kritik. Initiativen wie der Mieterladen, der Sozialhilfe-Verein Hängematten und die Initiative gegen Privatisierung und Deregulierung hatten am Mittwoch abend zu einer Veranstaltung „gegen Quartiersmanagement und Arbeitsdienste“ geladen. 25 Leute haben sich im Mieterladen in der Kreutziger Straße eingefunden.

„Wir sind aus drei Gründen gegen das Quartiersmanagement“, beginnt Axel Zutz von der „Initiative gegen Privatisierung und Deregulierung“, ein blonder, etwas brav aussehender Typ mit Brille. „Quartiersmanagement bedeutet eine Privatisierung öffentlicher und sozialer Dienstleistungen“, kritisiert Zutz. Der Quartiersmanager solle „ureigene Bezirksaufgaben“ in den Bereichen Schulen und Kitas, Verschönung des Kiezes und Kultur übernehmen, genau die Aufgaben, für die dem Bezirk das Geld fehle.

Zudem solle der Quartiersmanager mit Hilfe des Programms „Integration durch Arbeit“ (IDA) SozialhilfeempfängerInnen für diese Aufgaben einsetzen. Wer diese nicht annimmt, muß mit Kürzung oder gar Streichung der Stütze rechnen. Durch diese „Zwangsarbeit“, befürchtet Zutz, werden Arbeitskräfte ersetzt, deren Jobs eingespart werden. Außerdem habe Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) die Milieuschutzsatzung, die eine Mietobergrenze für sanierte Altbauten festschreibt, mit Verweis auf das Quartiersmangement nicht verlängert.

Auch Heike Weingarten, die seit mehr als zehn Jahren im Mieterladen aktiv ist, steht Strieders Konzept kritisch gegenüber. In Städten wie Hamburg habe Quartiersmanagement funktioniert: „Aber da war die Laufzeit länger, es gab mehr Geld, und die Bewohner wurden von Anfang an auch bei der Auswahl der Quartiersmanager miteinbezogen.“ In Friedrichshain wie in allen der 15 Kieze, in denen das Quartiersmanagement eine weitere Abwärtsentwicklung verhindern soll, läuft das Programm zunächst über drei Jahre mit einem jährlichen Etat von 300.000 Mark. Weingarten befürchtet, daß SozialhilfeempfängerInnen den Kiez säubern sollen, damit Besserverdienende wieder Interesse haben, hierher zu ziehen. „Letztendlich werden sie selbst aber verdrängt.“

Doch während Weingarten und Zutz dafür sind, Forderungen an das Quartiersmanagement zu stellen, lehnen zwei Anwohnerinnen das Konzept strikt ab. Sie sehen darin eine „besonders bösartige Form, die demokratischen Strukturen in diesem Lande auszuhöhlen“. Das aber geht anderen zu weit. „Man kann es doch auch als Chance sehen“, sagt eine andere Anwohnerin, „vielleicht kann das Quartiersmanagement ja wirklich schneller und kostengünstiger Dinge verändern als die Verwaltung.“ „Man sollte abwarten, ob es nicht doch ein partizipativer Ansatz ist“, wirft ein blonder Typ mit schicken Schuhen und ebensolchem Jackett ein. Ihn kennt hier niemand, und deshalb wird er verdächtigt, sich auf den Posten des Quartiersmanagers beworben zu haben. Nach zweistündiger Debatte setzen sich doch diejenigen durch, die Forderungen an den Quartiersmanager ausarbeiten wollen. sam

AnwohnerInnen befürchten, daß SozialhilfeempfängerInnen den Kiez säubern müssen und dann verdrängt werden

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