: Auf der Zuschauerbank ganz rechts
Hamburger Landgericht spricht Rechtsextremisten Manfred Roeder frei ■ Von Julia Bertz
Das selbstgefällige Grinsen, das sie selbst vorige Woche zur Schau gestellt hatten, als die Staatsanwaltschaft eine siebenmonatige Gefängnisstrafe für ihr Idol forderte, liegt wie eingemeißelt auf dem Gesicht der beiden jungen Frauen. Herausfordernd blicken sie in die Runde, als sie den Zuschauerraum im Saal des Hamburger Landgerichtes betreten. Schütteln Manfred Roeder die Hand, dem Angeklagten, der mitten im Saal steht und den ZuschauerInnen zunickt, als würde er Gäste auf einem Ball begrüßen. Triumphierend verlassen die beiden Frauen mit ihren Begleitern nur wenige Minuten später wieder den Saal. Das Landgericht hat den bekennenden Rechtsextremisten Roeder von dem Vorwurf freigesprochen, in einer Sendung des Nachrichtenmagazines Panorama die alte Bundesregierung verunglimpft zu haben.
Als „Vaterlandsverräter“ hatte er die schwarz-gelben Koalitionäre in der Sendung im Dezember 1997 bezeichnet und ihnen den Tod gewünscht. Roeder wollte die Bundesregierung verunglimpfen, bestätigt das Gericht. Das sei ihm jedoch nicht geglückt. Denn der Sender habe die Äußerungen nicht wie von Roeder intendiert verbreitet, sondern ihn an den Pranger gestellt.
Roeder nutzt während der mehrwöchigen Verhandlung die Plattform des Gerichtssaales, um seine politische Weltanschauung zum Besten zu geben. Gerne zitiert er aus alten Urteilen. Nicht nur, um sich als Märtyrer darzustellen – 1982 war er zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil seine „Deutsche Aktionsgruppe“ ein Flüchtlingsheim in Brand gesetzt und zwei Vietnamesen umgebracht hatte, es folgten etliche weitere Strafen – sondern offensichtlich auch, um seine rechtsextremen Thesen zu wiederholen.
Die Aussagen treffen auf ein williges Publikum. Über den mehrwöchigen Prozeß hinweg sind ihm seine politischen Freunde treu. Drängen sich regelmäßig in der ersten Sitzreihe des Gerichtssaales und kommentieren engagiert das Geschehen. Dabei sind Teilnehmer der „Freundestreffen“ der „Bauernschaft“, einer Rundschrift des voriges Jahr in Dänemark gestorbenen Neofaschisten und Auschwitz-Leugners Thies Christophersen. Einige der Anwesenden gehören dem „Bund der Goden“ an, einer deutschnationalen Organisation, die religiös angehaucht gegen „Überfremdung“ kämpft. Vertreter militanter Organisationen sind nur vereinzelt unter den ZuschauerInnen. Der NPDler Harald Voss etwa, voriges Jahr Kandidat des „Bündnis Rechts für Lübeck“, hat die Beweisaufnahme jeden Tag verfolgt.
Die ersten Tage sind es Männer allesamt, alte Männer; die einzige Frau wird stets in der Mitte plaziert und von allen Seiten hofiert. Oft müssen einzelne Zuschauer den Saal verlassen, weil der Vorsitzende Richter die Zwischenbemerkungen nicht länger duldet: Die gemimten Lachanfälle, wenn Worte wie „Demokratie“ oder „Meinungs-freiheit“ fallen. Die Zwischenrufe, daß der Angeklagte „Herr Roeder, Herr Rechtsanwalt Roeder“ sei und nicht, wie der Richter es einmal formuliert, nur „Roeder“. Und den Ausruf „so ist es“, als Roeder vorträgt: „Alle Rechten sind die neuen Juden, die ausgegrenzt und verfolgt werden.“
Erst zu den Plädoyers wandelt sich das Bild. Deutlich liegt das Durchschnittsalter nun niedriger. Der rechtsextreme Nachwuchs ist da, ein Dutzend Frauen und Männer Anfang Zwanzig. Eine Gruppe Hippies vom Land, könnte man zunächst meinen. Die jungen Männer alle in derben Karohemden und Handwerkerhosen. Die Frauen in bodenlangen Karoröcken und weißer Bluse, in Birkenstock-Sandalen mit selbstgetrickten grauen Wollsocken darin. Persönlich werden alle von Roeder mit Handschlag begrüßt. Auf dem Flur tätschelt er väterlich die Schulter einer Frau, die mit verträumtem Gesicht ihre Nase in eine Fliederblüte steckt.
Nachdem der Freispruch verkündet ist, verläßt Oberstaatsanwalt Holger Lund sichtlich enttäuscht den Saal. „Das war wohl nichts“, ruft ihm einer der Rechts-extremisten hämisch hinterher. Die beiden jungen Frauen lachen, als sie mit Roeder zur Feier in den angemieteten Saal der Handwerkskammer aufbrechen.
Siehe auch Bericht S. 9
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