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Albert HefeleHerr Hefele kriegt zwei Minuten

■ Wenn ich an die blöden Tip und Tap denke, denke ich auch an Schiller und Strauß

Es ist schon eine gute Woche her, da hatten Tip und Tap Geburtstag. Fünfundzwanzigsten, um genau zu sein. Wer das sein soll – Tip und Tap? Schwer zu sagen. Rein von Angesichts würde ich sagen: ein jeweils dunkelhaarig, eher pyknisches Wesen und ein leptosomer Blonder. Beide verfügen über „witzige“ Hasenzähne, bubenhaft „fröhliche“ Haarschnitte und „rote“ Backen. Die kommen vermutlich von der vielen frischen Luft, in der sich Tip und Tap ständig bewegen. Tip und Tap sind bzw. waren nämlich Fußballer. Natürlich keine echten Fußballer. Sie sollten Symbole sein für Fußballer. Symbole für „den“ Fußballer überhaupt. Tip und Tap waren die Maskottchen der WM in Deutschland 1974. Klickt es?

Genau. Diese seltsam leblosen Dinger, die wohl immer noch in manch deutschen Haushalt eisern lächelnd von irgendeiner Devotionalie winken. Nicht daß jemals ein WM-Maskottchen Klasse besessen hätte. Sei's der englische World-Cup Willie, sei's der gallische Hahn vom letzten Jahr. Allesamt mehr oder weniger hölzerne Versuche, das Thema mit ironischer Distanz zu betrachten und durch die kindliche Fröhlichkeit der Maskottchen zu relativieren.

Funktioniert hat das nie; wenn etwas funktioniert hat, dann der Beitrag der Maskottchen zur Steigerung der Merchandisingumsätze. Trotzdem: Tip und Tap waren noch um einige Grade unerträglicher. Unsympathischer. Um nicht zu sagen: bedrohlicher. Es ist mein Ernst: Mir haben Tip und Tap immer Schauer über den Rücken gejagt. Dieses steinerne, in seiner Permanenz ungute Lächeln, diese scharfkantigen, völlig unorganisch wirkenden Haarbüschel... diese Augen. Brrrrr... Killeraugen. Gnadenlose Reptilienaugen, ihre Opfer fixierend: „Komm nur her du, dann zerrupfen wir dich mit unseren Hasenzähnen.“ Außerirdische, die unter der roten Apfelbäckchenmaske die glitschige Alienhaut vermuten lassen. Gut, gut, ich bin ein sehr sensibler Mensch und vielleicht auch etwa ängstlich.

Aber es geht mir nicht allein so. Betrachten wir uns doch einmal den Umschlag des großartigen, zufällig von mir mitherausgegebenen Buches „Alle meine Endspiele“. Wir werden dort eine Zeichnung von Achim Greser und Heribert Lenz entdecken. Auf dieser Zeichnung tritt ein fröhlich grinsender Blondschopf (Tap?) den ebenso gutgelaunt strahlenden (Tip?) per Blutgrätsche zum Krüppel. Ein mir befreundetes Kind geriet bei Anblick der Zeichnung völlig aus der Fassung und verzweifelte kurzzeitig nahezu an der Welt: „Warum macht der das?“

Ich muß noch hinzufügen, auch den Herren Greser und Lenz wurden keinerlei Auflagen hinsichtlich der Gestaltung des Buchtitels gemacht. Was ich damit sagen beziehungsweise beweisen will? Nicht nur ich habe die kriminelle Energie der beiden Maskottchenbrüder Tip und Tap gespürt. Beim DFB ist das seinerzeit offensichtlich niemand aufgefallen.

Die Vorbilder für Tip und Tap sollen übrigens dem Gerücht nach Gerd Müller und Günter Netzer gewesen sein. Der kühle, nahezu intellektuelle Rollkragen Netzer; damals schon mehr als das übliche Maß an Energie darauf verschwendend, wie er in der Disco und seine Freundin im Porsche wirkte. Und Müller, ein Bauerntrampel reinsten Wassers, der während eines „Sportschau“- Auftritts seine Knieoperation einmal mit dem Satz „Haare ab und operieren“ zusammenfaßte.

Müller und Netzer als Tip und Tap. Wieder einmal ein Indiz für das nicht vorhandene Fingerspitzengefühl des DFB? Oder war gerade dieses die Idee: die ganze Spannweite des deutschen Spieles anhand seiner extremsten Protagonisten vorzuführen?

Vielleicht waren Tip und Tap aber auch und sogar eine listige Reminiszenz an Plisch und Plum. Diese (die Reiferen unter Ihnen wissen es) bürgerlich Karl Schiller und Franz Josef Strauß heißenden Politiker bildeten bekanntlich in den späten 60ern ein ähnliches Gegensatzpaar in der Politik...! Wenn dem so wäre, wäre ich allerdings völlig baff und würde mich hiermit beim DFB und allen seinen Planern und Ausdenkern auf das herzlichste entschuldigen.

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