: Jetzt soll doch die UNO ran
Die diplomatischen Drähte laufen heiß: Fischers Friedensplan, die Vermittlungsbereitschaft von Annan und die Einbindung Rußlands in einen Lösungsversuch für das Kosovo ■ Von Andreas Zumach
Jetzt soll Rußland „mit ins Boot“, die UNO „einbezogen“ werden, und auch für die OSZE fällt vielleicht noch eine Rolle im Kosovo ab. Zweieinhalb Wochen nach Beginn ihres bislang weitgehend erfolglosen Luftkrieges gegen Restjugoslawien und der Verschärfung der Vertreibungsoffensive serbischer Armee- und Polizeikräfte gegen die Kosovo-Albaner bemühen sich die Regierungen der Nato-Staaten darum, was bereits im Sommer 1998 mit Moskau möglich gewesen wäre, damals aber von der westlichen Militärallianz nicht versucht wurde: Zum ersten Mal seit dem 24. März besteht zumindest eine leise Chance für die Einstellung der militärischen Aktivitäten der Nato sowie der serbischen „Sicherheitskräfte“ und danach der Einrichtung eines internationalen Protektorats über Kosovo.
Bemühungen um dieses Ziel fanden gestern an verschiedenen Schauplätzen statt: bei einer Sitzung der 19 Nato-Außenminister in Brüssel, bei Gesprächen des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt, Wolfgang Ischinger, in Moskau und bei einem Besuch von UNO-Generalsekretär Kofi Annan in der Hauptstadt des Nato- Mitglieds Spanien, Madrid. Heute will US-Außenministerin Madeleine Albright in Oslo mit ihrem russischen Amtskollegen Igor Iwanow zusammentreffen. Für Mittwoch wird Kofi Annan beim EU-Gipfel in Brüssel erwartet.
Er hat angeboten, im Kosovo- Konflikt zu vermitteln, sagte der UN-Generalsekretär gestern auf einer Pressekonferenz in Madrid. „Ich stelle meine Dienste zur Verfügung, wo immer dies von Nutzen ist.“ Und er werde „nicht zögern, mit Milošević zu sprechen, wenn dies hilfreich ist“. Der spanische Ministerpräsident José Maria Aznar versicherte Annan, Spanien stehe hinter seinem Fünf-Punkte- Plan, den der UN-Mann am Freitag vorgelegt hatte.
Die erste Chance für eine beiderseitige Feuerpause
Außenminister Fischer legte seinen 18 Nato-Amtskollegen gestern den folgenden Vorschlag vor: Die Nato ist zu einer Unterbrechung der Luftangriffe bereit, wenn Belgrad sich dazu verpflichtet, in den ersten 24 Stunden nach Unterbrechung der Luftangriffe einen Teil seiner Armee- und Polizeikräfte hinter von der Nato vorgegebene Linien zurückzuziehen. Nach Überprüfung durch die Nato soll in einer zweiten 24-Stunden-Etappe der Rückzug der restlichen Armee- und Polizeikräfte erfolgen.
Außerdem gilt weiter die Bedingung, daß alle Flüchtlinge und Vertriebenen in ihre Heimatorte im Kosovo zurückkehren können. Als nächsten Schritt sieht der deutsche Vorschlag an die Nato Verhandlungen vor mit dem Ziel, die Stationierung einer internationalen Schutztruppe im Kosovo zu vereinbaren. Die Truppe soll mit einem Mandat des UNO-Sicherheitsrates ausgestattet und auf Basis von Kapitel 7 der UNO-Charta (Zwangsmaßnahmen) im Kosovo stationiert werden.
Neben Einheiten aus Nato- Staaten sollen nach Bonner Vorstellung starke Verbände aus Rußland und aus der Ukraine an der internationalen Truppe beteiligt werden. Erste Aufgabe der Schutztruppe wäre die Gewährleistung und Überwachung einer sicheren Rückkehr der Flüchtlinge und Vertriebenen. Ein Bericht des britischen Guardian, nach dem der Bonner Vorschlag die internationale Truppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) unterstellt werden soll, wurde vom außenpolitsichen Berater des Bundeskanzlers, Michael Steiner, dementiert.
Annan ist nun bereit, mit Milošević zu reden
Rußland signalisierte nach Angaben diplomatischer Kreise grundsätzliche Bereitschaft zur Teilnahme an einer internationalen Schutztruppe. Zu welchen Bedingungen, war zunächst jedoch unklar. Ein wesentlicher Diskussionspunkt zwischen Moskau und der Nato ist die Frage, wer eine internationale Schutztruppe kommandiert: die UNO, was Generalsekretär Annan letzte Woche in Genf auf Fragen der taz nicht ausschließen wollte? Die Nato und Rußland gemeinsam und gleichberechtigt, was Moskau einfordern dürfte? Oder die Nato allein, worauf die Allianz – und insbesondere die USA – bislang bestanden hatte?
Wie es nach Stationierung einer internationalen Schutztruppe im Kosovo weitergehen sollte, dafür gibt es bisher keine konkreten neuen Vorschläge. Konsens besteht nur darüber, daß das von den Kosovo-Albanern unterschriebene und von Belgrad abgelehnte Rambouillet-Abkommen vom 23.Februar Makulatur ist.
Der französische Außenminister Hubert Vedrine läßt im Auftrag der Balkan-Kontaktgruppe derzeit eine der aktuellen Entwicklung angepaßte Neufassung erarbeiten. Der deutsche Vorschlag an die Nato plädiert dafür, die Frage des künftigen Status des Kosovo zunächst offen zu lassen.
US-Außenministerin Albright schloß bei ihrer Ankunft in Brüssel allerdings eine Teilung des Kosovo in einen nördlichen serbischen und einen südlichen albanischen Teil nicht mehr aus. Ähnliche Pläne zirkulieren schon seit langer Zeit in Belgrad. Eine derartige Teilung stände in diametralem Gegensatz zur bisherigen „unverhandelbaren Bedingung“ der Nato an Milošević, daß alle Flüchtlinge und Vertriebenen in ihre Heimatdörfer zurückkehren können.
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