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Scheibchenweise „Valentin“

■ Fünf Architektur-Studenten aus Münster haben sich über die Zukunft des monströsen U-Boot-Bunkers im Bremer Stadtteil Farge den Kopf zerbrochen und wollen die Mahnmaldiskussion mit ihren Entwürfen neu anstoßen

Er will weder weichen, noch überwuchern. Trotzdem ist der Koloß aus dem Dritten Reich den Bremern reichlich egal. Was soll werden aus dem ehemaligen Nazi-Bunker „Valentin“ in Farge, der weiterhin weitgehend unberührt seine 426 mal 97 Meter Beton zwischen Weser, Wald und Wiese erstreckt? Aus unerwarteter Richtung kommen jetzt drei Vorschläge zur Verarbeitung der Vergangenheit: An der Fachhochschule Münster haben junge Architekten Mahnmal-Modelle erarbeitet und nun vorgestellt.

Die fünf Studenten unter der Leitung ihres Professors Klaus Sill waren im Oktober letzten Jahres eher zufällig auf ihr neues „Gestaltungsobjekt“ gestoßen, ohne sich anfangs dessen politisch-historischer Dimension bewußt zu werden. Wie kein anderer Ort in der Region dokumentiert die ehemalige U-Boot-Werft in ihrer Monumentalität den Wahnsinn des deutschen Angriffskrieges und die Menschenverachtung der Nationalsozialisten: Über 10.000 Zwangsarbeiter aus sechs umliegenden KZs erschufen das „Achte Weltwunder“ (Weser-Kurier, 1945). Die Ingenieure veranschlagten dabei pro Häftling sechs Monate verbleibende Lebenszeit. Bisher jedoch erinnert nur das Mahnmal „Vernichtung durch Arbeit“ an die Toten. Das Bauwerk selbst befindet sich noch immer im Besitz der Marine. Seine schiere Größe und Unzerstörbarkeit liegen nur scheinbar im Widerspruch zur lokalen Verdrängung, die nebenan Wohnbebauung und Segelhafen entstehen ließ. Vielmehr sperrt sich der Bunker bisher durch sein kolossales Pathos einer würdigen Form der Erinnerung ohne eine ungewollte Glorifizierung deutscher Ingenieurskunst. Der Zwiespalt erinnert an die Berliner Mahnmaldebatte. Doch während dort der Koloß eine Option ist, ist er in Farge Faktum.

Daher zielen die drei Vorschläge aus Münster auf eine künstlerisch-architektonische Durchbrechung der erschlagenden Überdimensionalität. Der radikalste der Entwürfe stammt von Tobias Hermesmeyer und Andreas Wenzel. Entlang einer begehbaren Zeitachse soll der „Unzerstörbare“ mit einer Diamantsäge scheibchenweise abgetragen, also „besiegt“ werden. Das halbe Jahrhundert, das seit Kriegsende verstrichen ist, soll so rückgängig gemacht werden, 70 cm pro Jahr. Ohne dabei die Erinnerung an Größenwahn und Zwangsarbeit zu tilgen: Die riesigen, dreimannshohen Platten, die dabei entstehen, sollen sternförmig drei Gedenkpfade von ehemaligen Arbeitslagern zum Bunker säumen. Über dem Sägegerüst wäre Platz für eine Museumsröhre. Geht man rückwärts auf dem Zeitstrahl zum Jahr 1943, gelangt man zu einer grausigen Gedenkstätte: Auf einem Friedhof sollen die Reste von im Beton umgekommenen Sträflingen, mit deren Fund zu rechnen wäre, eine würdige letzte Ruhe finden.

Weniger radikal mutet der Vorschlag von Andrea Janietz an, die Besucher in einem „Tunnel der Erinnerung“ durch den erinnerungsschwan-geren Bauch des Bunkers leiten möchte. Nur an wenigen Stellen wird der Einblick in die Weite des Bauwerks ermöglicht, bevor man durch Wanddurchbrü-che ins Freie tritt. So soll der stumme Zeitzeuge bestehen bleiben, ohne daß dabei aber „auf faszinierende Weise Beklommenheit entsteht“. Dieses heftig umstrittene Juroren-Lob für den monumentalen Entwurf des geplanten Berliner Holocaust-Mahnmals scheint bei der Überlegung Pate gestanden zu haben. Zu leicht könne „Valentin“ sonst wie eine Kathedrale aus Beton wirken, merkte Klaus Sill bei der Präsentation an.

Petra Wäldle und Henrike Thiemann wollen im dritten Projekt „dem Wolf Steine in den Bauch legen“, indem sie ihn über einen Zeitraum von 50 Jahren hinweg langsam mit Beton füllen. Dabei soll in einer Choreografie von Baumaschinen ein blockartiger „Erinnerungsspeicher“ entstehen, in dessem Inneren amorphe Blasen und Tunnel ausgespart werden, die Ausstellungen dienen sollen. Der Kunstgriff ist die Rückverwandlung von sinnloser Produktion in sinnlose Destruktion. Anders als im Projekt der Zersägung bliebe der Koloß jedoch wie eine Art Cheops-Pyramide des grausamen 20. Jahrhunderts als 1000jährige Erinnerung an die Wahnvorstellung eines 1000jährigen Reiches bestehen.

Das Wichtigste an dieser „neuen Art der Erinnerungsarchitektur“ ist nach Sill, daß „Zeit wahrnehmbar gemacht wird“. Statt im Moment der Enthüllung eines Denkmals quasi ein Happy end in Betroffenheit zu konstituieren, wählen zwei der Münsterschen Modelle eine Vergangenheitsbewältigung als Prozeß. Alle drei sind technisch machbar und sollen schon bald in einem Forum diskutiert werden, das Rainer Habel, seit 1981 führend in der Farger Mahnmaldiskussion, organisieren wird.

Was jedoch fehlt, sind Kostenberechnungen, Genehmigungen sowie Auftraggeber, sprich Sponsoren. Die münsterschen Mahnmal-Modelle sind fürs erste “ Nahrung fürs Hirn, und (noch) kein Stein des Anstoßes. Hilmar Poganatz

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