Flüchtlinge in Deutschland

Weit mehr als die Hälfte der 10.000 Kosovo- Flüchtlinge, die in Deutschland vorübergehend aufgenommen werden sollen, sind mittlerweile in der Bundesrepublik eingetroffen. Heute würden weitere Vertriebene aus den Krisengebieten ausgeflogen, teilte das Bundesinnenministerium gestern mit. Bis zum Wochenende sollen alle 10.000 Kosovo-Vertriebenen in Deutschland sein. Rund 6.400 besonders hilfsbedürftige Menschen waren bis zum Dienstag abend bereits in Heimen in den einzelnen Bundesländern untergebracht. Die Vertriebenen, die in Deutschland anders als die Flüchtlinge aus Bosnien erstmals den Sonderstatus von Bürgerkriegsflüchtlingen erhalten, werden nach dem festgesetzten Schlüssel für die Verteilung von Asylbewerbern untergebracht.

Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) hat unterdessen Auskunft über die Auswahlkriterien für die nach Deutschland gebrachten Kosovo-Flüchtlinge verlangt. Unter den bislang in Sachsen eingetroffenen Menschen seien kaum Kranke, sagte Biedenkopf gestern nach einer Kabinettssitzung.

Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hat an die EU-Staaten appelliert, sich bei der Aufnahme von Vertriebenen aus dem Kosovo solidarisch zu zeigen. Er befürchte, daß es ohne hinreichende Aktivitäten zur Einrichtung von Flüchtlingslagern und ohne weitere wirtschaftliche Maßnahmen neue Flüchtlingswellen geben werde, sagte Diepgen gestern im Radiosender Hundert,6. Ziel müsse es sein, daß die Menschen in unmittelbarer Nachbarschaft des Kosovo Unterkunft finden und schnell Gelegenheit haben, unter gesicherten Verhältnissen in ihre Heimat zurückzukehren.

Die deutschen Hilfsorganisationen richten sich auf einen jahrelangen Einsatz für die Kosovo- Flüchtlinge auf dem Balkan ein. „Die Unterstützung wird mehrere Jahre laufen müssen – ganz egal, wo“, sagte Matthias Schüth von Caritas. Ähnlich äußerten sich Vertreter des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), des Diakonischen Werks und der Organisation Cap Anamur. Oberste Priorität habe noch immer die Grundversorgung der Vertriebenen in den Lagern in Albanien, Makedonien und Montenegro. UNHCR-Sprecher Stefan Terlöken sagte, das UNHCR selbst habe seinen Einsatz zunächst auf drei Monate geplant. Was dann komme, hänge von der politischen Entwicklung im Kosovo ab.

Wegen des Krieges in Jugoslawien hat die Union die Bundesregierung aufgefordert, ihre Pläne für die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts vorerst auf Eis zu legen. „Die CSU plädiert mit allem Nachdruck dafür, daß man die Staatsbürgerschaftsdiskussion zurückstellt, bis dieser aktuelle Konflikt vorbei ist“, sagte CSU-Generalsekretär Thomas Goppel gestern dem BLR-Radiodienst. Mit Blick auf eine mögliche doppelte Staatsbürgerschaft der in Deutschland lebenden Serben und Kosovo-Albaner ergebe sich, „daß man das so nicht machen kann“, wie Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und insbesondere die Grünen es wollten. Im Innenausschuß des Bundestages stand gestern eine öffentliche Anhörung zum Thema auf der Tagesordnung. taz, dpa, rtr, AFP