: Blicke in die obersten Chefetagen
■ Die Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft stellt sich in Berlin vor. Mit Trainingsprogrammen und Seminaren will sie Frauen in Führungspositionen bringen
Berlin (taz) – Wenn Miriam sagt, daß sie in 30 Jahren deutsche Bundespräsidentin sein wird, dann lacht sie zwar, aber ernst meint sie es trotzdem. Anfangen will die 26jährige Juristin aus Hamburg ganz langsam: erst mal die Doktorarbeit beenden, das zweite Staatsexamen machen, dann Richterin werden am Oberlandesgericht. Das Selbstbewußtsein, solche Karrierewünsche nicht nur zu träumen, sondern auszusprechen, hat sich Miriam Hannes bei ihrer Mentorin abgeguckt.
Drei Monate lang konnte sie Juliane Kutter, Mitglied der Geschäftsleitung des Allianz-Versicherungskonzerns und einzige Frau auf diesem Posten, über die Schulter schauen, den Umgang mit Konflikten und Machtkämpfen aus nächster Nähe verfolgen.
„Preparing women to lead“ heißt das Programm, das Miriam und bis heute 50 weiteren Hochschulabsolventinnen Kontakte zu Frauen an der Macht vermittelte. Es ist das bislang erfolgreichste Projekt der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft, die, mit Mitteln der EU und des Bundesfrauenministeriums ausgestattet, vor zwei Jahren in Berlin gegründet wurde.
Die Akademie versteht sich als Antwort auf die immer noch verschwindend geringe Zahl von Frauen in Führungspositionen. Hier können Frauen spezielle Seminare absolvieren und lernen, daß mangelndes Selbstbewußtsein mit Charme nicht zu ersetzen ist, zumindest dann nicht, wenn man Erfolg will. Bei der Umsetzung helfen Trainingsprogramme und Projekte wie „Preparing women to lead“, das die Akademie in Kooperation mit der Technischen Universität Berlin anbietet.
Anders als bei gewöhnlichen Praktika steigen die Teilnehmerinnen hier gleich ganz oben ein, als „Mentee“ einer erfolgreichen Frau, die sie zu allen Sitzungen, Gesprächen und Verhandlungen begleiten. „Ein unglaublicher Erfahrungsschatz“, sagt Ilona Oesterhaus, inzwischen Referentin im Sozialministerium von Sachsen-Anhalt. Heute sei es zumindest für erfolgreiche Frauen kein Tabu mehr, ihren Willen zur Macht öffentlich zu bekunden, sagt Barbara Schaeffer-Hegel, Vorsitzende des Fördervereins der Akademie. Notwendig sei jedoch, junge Frauen stärker an die Wirtschaft und vor allem an die Parteien heranzuführen.
Am kommenden Sonnabend beginnt nach der zweijährigen Aufbauphase im Roten Rathaus in Berlin der offizielle Gründungskongreß der Akademie. Unter anderem werden dort Jutta Limbach, Rita Süßmuth, Norbert Bensel vom Vorstand der debis-AG und Alice Schwarzer darüber debattieren, wie Männer und Frauen gemeinsam Familie und Karriere vereinbaren können. Ein wichtiger Punkt für Barbara Schaeffer-Hegel: Vor allem die Einstellungen der Männer zur Kindererziehung gelte es zu verändern. In Zukunft will sie auch Männer als Mentoren gewinnen. Yvonne Wieden
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen