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Frauenförderung goes business

Auf der Frauenmesse top 99 wird die Chancengleichheit ganz locker in Managementtheorien integriert. Statt von Quotenpolitik spricht man nun von „Qualitätsmanagement der Humanressourcen“  ■   Von Heide Oestreich

Berlin (taz) – Das Konzept ist von fernöstlicher Schönheit: Die Kraft des Gegners nutzen, heißt es beim Tai Chi – auf der Frauenmesse top 99, die heute beginnt, wird vier Tage lang von „Total-E-Quality“, „Human Resources Development“ oder „Diversity Management“ die Rede sein. Es ist das Zusammentreffen von Chancengleichheit und Managementtheorie – das Ende klassischer Frauenförderpolitik.

Bisher trafen zwei Systeme mit verschiedenen Codes aufeinander: Die Frauenbeauftragte entwickelt Fördermaßnahmen, die Führung sträubt sich und verweist auf Sachzwänge. Ergebnis: Die Mütter pflegen ihr Privatleben und ergattern im Glücksfall eine unbefriedigende Teilzeitstelle. Die Kinder siezen mit dreizehn ihre Väter, die kurz darauf am Herzinfarkt verscheiden. Zwischendurch lamentiert man über die altbekannten Bruchteile von Frauen in Führungspositionen, die den hübschen Werbebildern hohnsprechen: Null, zum Beispiel, in den Vorständen der dreißig deutschen Dax-Unternehmen.

Doch seit einigen Jahren verändern sich die Rahmenbedingungen. Frauen sind oft qualifizierter als Männer. 1999 gab es mehr Studienanfängerinnen als -anfänger, die Juristinnen machen bessere Examen als die Juristen. Und sie wollen arbeiten. Der Arbeitskräftepool, aus dem die Unternehmen schöpfen können, wird weiblicher. Hier treffen die alten Kämpinnen der Frauenförderung mit den modernen Managementtheorien zusammen: „Total-E-Quality-Management“ besagt unter anderem, daß nur ein zufriedener, integrierter Mitarbeiter ein guter Mitarbeiter ist: Das paßt schlecht mit gemobbten Frauen zusammen, die zwangsläufig herauskommen, wenn 60 Prozent der Männer eine Frau als Vorgesetzte absolut ablehnen. Wer seine „human resources“, das Potential seiner Arbeitskräfte, richtig managt, muß ausrechnen, ob ihn der kinderbedingte Berufsausstieg von hochqualifizierten Frau nicht mehr kostet als ein Betriebskindergarten.

Hier setzen verschiedene EU-Projekte an: Der Verein „Total-E-Quality“ vergibt ein Zertifikat für Unternehmen, die sich über Arbeitszeitmodelle und Kinderbetreuung Gedanken machen, über Sexismus am Arbeitsplatz und die Kommunikation zwischen den Geschlechtern im Betrieb. Die ersten Prädikatsträger waren, wenig erstaunlich, Unternehmen mit einer langen Tradition der Frauenförderung: VW mit flexiblen Arbeitszeiten, Kinderbetreuungsmodellen und der Anwerbung von weiblichen Auszubildenden oder Lufthansa mit 25 Prozent Teilzeitstellen, von denen jede dritte von einem Mann genutzt wird.

Bewertet wird zunächst der gute Wille in Form von Plänen und Konzepten. Aber nach zwei Jahren wird überprüft, ob die Ziele erreicht wurden. Allzu politisch belastete Vokabeln tauchen nicht mehr auf. Bei VW heißt die Zielquote von 30 Prozent Frauen in Fach- und Führungspositionen „target“. Auch das EU-Audit „Beruf und Familie“, ein Zertifikat mit Beratung, gibt sich marktkonform. Auf klassische Frauenförderung verzichtet man, statt dessen geht es darum, daß Eltern die Erziehung ihrer Kinder erleichtert wird: „Wir machen keine Zielgruppenarbeit für Männer oder Frauen, sondern wir sehen einfach, daß der Verantwortung für die Familie Rechnung getragen werden muß“, sagt Professor Arthur Wollat, der das Audit mitbegründet hat. Was nichts anderes heißt wie „Männer in die Kindererziehung“, eine der Urforderungen der Frauenbewegung.

Von politischen Forderungen will Wollat nichts wissen: „Wenn ich einem Unternehmen mit Gleichstellung oder Frauenförderung komme, dann gibt das Unruhe und Wirbel, wir wollen das doch nicht klassenkämpferisch verbrämen.“ Er argumentiert dagegen mit dem Bewußtseinswandel in der Gesellschaft. Wer die Familienarbeit nicht berücksichtige, werde in einer Gesellschaft mit immer mehr Alleinerziehenden, mit immer mehr gut ausgebildeten Frauen, die einen angemessenen Arbeitsplatz suchen, bald keine motivierten Mitarbeiter mehr finden. Gesetzliche Regelungen seien unnötig: „Frauen brauchen keinen Minderheitenschutz mehr.“ Eva-Maria Roer von Total-E-Quality ist pragmatischer: „Wenn kein Druck da ist, passiert nichts. Und es gibt einfach positive Erfahrungen in den USA mit gesetzlichen Regelungen.“

Familienfreundliche Unternehmen müssen „top-down“ entstehen, das ist die Erkenntnis vieler bisher nur mikroskopisch erfolgreicher Frauenbeauftragter. Ohne die Vorgesetzten geht nichts.

Mit EU-Unterstützung hat deshalb die Unternehmensberaterin Birgit Kress Trainingskurse für männliche Manager entwickelt. Sie sollen spezifische Probleme und Stärken ihrer Mitarbeiterinnen jenseits von Stereotypen wahrnehmen lernen: „Mütter, zum Beispiel, können oft zielorientierter organisieren als Männer, reden aber weniger darüber.“ Auch das eigene Arbeitsverhalten wird überprüft: Ist es nötig,14 Stunden in der Firma zu hocken? Oder ist es vielmehr ein Mythos, daß man Karriere erst nach 20 Uhr macht? Bei älteren Managern gebe es oft ein Aha-Erlebnis, sagt Brigit Kress: „Wenn die an ihren Enkeln sehen, wie viel sie bei ihren eigenen Kinder verpaßt haben und wie fremd die ihnen jetzt gegenüberstehen, dann kommen sie ins Grübeln.“

Was diese Zertifikate, Audits, Kurse bewirken? Wenn auf der top 99 sogar ein Unternehmen von beispielhaftem Machismo, der Axel-Springer-Konzern, das Total-E-Quality-Zertifikat erhält, kommen Zweifel auf. Es gibt keine Teilzeitregelungen, dafür aber regelmäßig Klagen über autokratische Chefredakteure; die 50 Prozent Volontärinnen beeindrucken vor allem dadurch, daß sie nach dem Volontariat größtenteils verschwinden. „Für uns ist der Preis eine Belohnung jahrelangen Kämpfens und Verhandelns. Wir sind in einem Umdenkprozeß“, sagt Betriebsrätin Gudrun Dilg. Und: Sowohl das Zertifikat als auch die Präsentation auf der top 99 verpflichte. Es gebe Zielvorgaben zu erfüllen, an denen sich der Konzern messen lassen müsse.

Vor allem aber werden sich an solchen Beispielen wie Springer auch die Audits und Zertifikate messen lassen müssen. Denn hier wird sich zeigen, was die wundersame Verbindung von Frauenbewegung und Managementtheorie in der Praxis bringt. Ob man die Kraft des Stärkeren nutzen konnte wie beim Tai Chi. Da allerdings stellt sich der Erfolg erst nach endlosem und dauerhaftem Üben ein.

Manager müssen überlegen, ob der Berufsausstieg qualifizierter Mütter sie nicht mehr kostet als ein Betriebskindergarten

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